Zeugnisse freier

Religiosität

 

 

 

Texte und Textauswahl

von Lothar Geis

 

 

 

 

 

Eine Informationsschrift für Menschen, die
wissen möchten, was Freireligiössein bedeutet

 

 

 

 

1. Auflage: Juni 2013

 

 

Selbstverlag der

 

Freireligiösen Gemeinde Mainz

Gartenfeldstraße 1

55118 Mainz

 

Tel.: 0 61 31/ 67 49 40

 

Internet: www.fgmz.de

 

 

 

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Das Eine in allem

In allem wohnt und wirkt das Eine,

im Hälmchen, das zum Lichte strebt,

im Menschenwesen, das alleine

zu edlem Denken sich erhebt.

Geheimnis bleibt sie mir, die Kraft,

aus der sich Halm und Mensch gebiert,

das Eine, welches ewig schafft,

von Tod und Alter unberührt.

Wir sind sein Kleid, ich und der Baum.

Nach Wirklichkeiten greift die Hand.

Und doch ist mir´s, ich wär´ im Traum.

Ich selber bleib mir unbekannt.

Ich wollte es mit Namen nennen,

grub meinen Wortschatz um und um.

Am Ende kann ich nur bekennen:

Ich bleibe ehrfurchtsvoll und stumm.

Friedrich Schrader

 

 

An das Göttliche

Du bist nicht der, für den dich viele halten,

den ihrer Priester Opferbrauch beschwört,

der gute Knecht, der in des Schicksals Walten

willfährig ihre kleinen Wünsche hört.

Du bist die Kraft, die ewig neu beginnend,

zu höherm Leben kämpfend sich befreit,

die, in der Welt sich Raum für Raum gewinnend,

die ewige Schönheit hebt in diese Zeit.

Du bist die Kraft, auf deren Sieg ich traue,

so wild der Wahnwitz seine Geißel schwingt,

von der ich glaube, dass sie sich noch baue

ein Haus, in dem der Geist die Schwere zwingt.

Doch weiß ich auch, so klein ich selbst mich sehe,

dass du mich brauchst, das Große zu vollziehn,

und auch, dass ich allein durch dich bestehe

und nur aus dir mir Wert und Sinn erblühn.

So gibt es einen Wunsch nur, der mir bliebe,

und ein Gebet nur kann vor dir bestehn:

mich selbst vergessend, Geist zu sein und Liebe,

in Wort und Tat ganz in dir aufzugehn.

Georg Pick


 

 

 

In dieser Schrift geht es darum, über die seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts (seit 1845)   bestehenden Freireligiösen Gemeinden zu informieren.

Diese Gemeinden nannten sich „freie“ Gemeinden, weil sie sich mit grundlegenden Teilen der christ-lichen Glaubenslehre nicht mehr einverstanden
erklärten und sich deshalb von den beiden christ-lichen Kirchen und ihrer Hierarchie lösten. Sie begannen, sich selbst demokratisch zu organisieren.

Der Hauptgrund für die Trennung von den Kirchen und ihrer Glaubenslehre war die sich zunehmend auftuende Widersprüchlichkeit zwischen dem von der Wissenschaft vertretenen aktuellen Weltbild und der von den Kirchen verkündeten Weltsicht.

Heute sind die Freireligiösen Gemeinden Körperschaften des öffentlichen Rechts. Sie  sind durch die staatliche Gesetzgebung in Deutschland den anderen Religionsgemeinschaften rechtlich gleichgestellt.

Auch erheben viele Freireligiöse Gemeinden (Mainz Offenbach, Baden, Pfalz) ebenso wie die Kirchen von ihren Mitgliedern Religionsgemeinschaftssteuer. Diese wird ebenso durch die staatlichen Steuerbehörden eingezogen.  Das ist Folge der rechtlichen Gleichstellung mit den Kirchen, welche die Freireligiösen staatlicherseits schon vor langem erreicht haben.

Freireligiöse  bezeichnen sich so, weil sie sich durchaus als religiös eingestellt fühlen, dabei jedoch in ihren Ansichten frei sein wollen.

Sie lehnen unhinterfragbare Glaubenslehren und Dogmen grundsätzlich ab, weil glauben eben nicht wissen heißt.

Keinesfalls  sind freireligiöse Menschen, wie man vielleicht annehmen könnte, frei von, sondern sie sind frei in ihrer Religion; schließlich ist ein Freiwilliger auch nicht frei von Willen.

Menschen Freier Religion haben sich bewusst von dogmatischen Glaubenslehren gelöst und suchen ihre eigene religiöse Weltsicht, frei von Glaubensvorschriften sowie  frei von kirchlicher Hierarchie und Autoritäten. Dazu suchen sie die Gemeinschaft Gleichgesinnter.
Das Nachdenken über ihr religiöses Weltbild betrachten Freireligiöse als dauernde Aufgabe.

Daraus ergibt sich, dass Freireligiöse auch Freidenker sind.

Hieraus zu folgern, die Freireligiösen seien eine Sonderform innerhalb der Organisation der Freidenker, ist nicht zutreffend.

Der Irrtum liegt im mangelnden Umkehrschluss, denn Freidenker sind in der Regel nicht religiös. Im Gegenteil, Freidenker  bekämpfen  Religion.

Sie erscheint ihnen inakzeptabel, und deshalb möchten sie jegliche Religion am liebsten abschaffen.

Nicht so die Freireligiösen.  Die suchen – ganz im Gegensatz dazu - nach einer Religiosität, die mit dem Weltbild unserer Zeit im Einklang stehen kann, ganz ohne Wunderglauben und frei von Über- und Widernatürlichem und auch ganz ohne göttliche Gebote für die Menschen.

Gebieten lassen sich die Freireligiösen nur von ihrem eigenen Gewissen im Einklang mit unseren Staatsgesetzen.

Daraus folgt: Freireligiöse und Freidenker, das sind „zwei Paar Stiefel“, auch wenn beide Gruppierungen sich in der Ablehnung dogmatischer Religionsformen einig sind.

Und um jeder Verwechselungsgefahr mit Freikirchlichen Gemeinden oder auch den Freimaurern vorzubeugen: Mit diesen Vereinigungen hat die Religion der Freireligiösen natürlich auch nichts zu tun.

Lothar Geis  

 


 

Was versteht man unter freireligiös?

Freireligiös ist

nicht der,        der die Kirchen und ihren Glauben verneint,

nicht der,        der Priester und Papsttum ablehnt;

nicht der,        der auf ihre Schädlichkeit in Vergangenheit

                        und Gegenwart hinweist;

nicht der,        der die Bibel als Gotteswort ablehnt,

       das  Christentum als veraltet und

       Jesus als Mensch  oder gar als

       Gedankendichtung   erklärt.

Freireligiös ist nur der,

     der sich eins fühlt mit dem Alleinen und
     Ewigen und stündlich daraus Kraft schöpft
     für des Lebens Veredlung . . .

 

Karl Weiß

          (gekürzte Fassung)


 

 

Mein Glaube

Ich glaube an die lebendige Kraft,

die überall wirkt und Wunder schafft,

die Formen bildet und wieder zersprengt

und quellend in Poren und Adern drängt,

die ewig strömt durch das endlose All,

die heimlich baut den klaren Kristall,

die in der Zelle, eng umzirkt,

wie im Planetenreigen wirkt,

die schaffend den Halm und die Blüte baut,

aus tausend Augen die Sonne schaut,

in Glanz und Farben und Düften zart,

in tausend Zungen sich offenbart,

die wunderbar in der eigenen Brust

sich kündet, selber sich klar bewusst.

Ich glaube an die Menschheit, die kämpfend strebt,

aus Qual und Ketten ins Licht sich hebt,

die Kraft des Geistes, erlöst aus Nacht,

zu herrlicher Freiheit dereinst erwacht.

Sie litt genug, ward gekreuzigt und starb

millionen Tode, doch sie erwarb

das flammende Wissen: Der Tag wird erscheinen,

da alle Menschen sich liebend vereinen

in Freiheit und Freude, in Schönheit und Stärke

zu helfen und schaffen am ewigen Werke.

Einst werden die Götzen des Hasses vergehen,

und der schöne Mensch wird auferstehen.

Ich glaube an Liebe und ihren Sieg.

Sie tötet Tyrannen, sie ächtet den Krieg,

sie heilt alle Wunden, in ihrer Spur

aufkeimend zum Garten die schöne Natur,

und alles, was menschliches Antlitz trägt,

fühlt, wie ein Herz für das andere schlägt,

und spürt mit jubelnder Frühlingslust

das Herz der Menschheit in eigener Brust.

Ich brauche nicht Götter, nicht Priester und Buch,

die Welt und die Menschheit sind Wunder genug.

Balduin Reichenwallner

 

 

 

 

Vom Freireligiössein

 
 

Freireligiöses Bekenntnis

von Gustav Tschirn

 

Frei sind wir, also nicht gebunden,

Durch Glaubenszwang in unsrer Religion.

Wir glauben, was wir selbst als wahr empfunden;

Nicht, was uns vorschreibt eine Konfession.

Bekenntnis, Überzeugung sind uns nicht verkäuflich

Auch nicht um ew’ge Seligkeit und Himmelslohn.

Denn was uns unnatürlich scheint und unbegreiflich,

Das nennen wir nicht „wahr“ aus Furcht vor Höllendroh´n.

Die Wahrheit bau´n  wir auf die Wirklichkeit,

Auf der Vernunft und der Natur Gesetze,

Die ehern stehn voll Unverbrüchlichkeit,

Dass auch kein Gott durch Wunder sie verletze.

Allmächtig, ewig und unendlich,

Allgegenwärtig in der kleinsten Spur,

Unfassbar hoch und doch so nah verständlich,

Das höchste Wesen – ist uns die Natur.

Die unerschaffne Schöpferin der Welten,

Aus deren Schoß hervor die Sonnen gehen,

Und die aus Sternentrümmern, aus zerschellten,

Durch Welten-Nebel webt ein Welten-Auferstehn.

 

 

Sie lässt im Kreise auch unsre Erde rollen

Und auf der Erde alles Leben blühn,

Daraus zuletzt, zuhöchst erwachsen sollen

Wir selbst, das Menschenherz, des Geistes Glühn.

Entwicklung hat uns empor getragen

Tief aus dem Zellen-, Pflanzen-, Tieresstand

Zum Aufrechtgehn, zum Sprechen, Denken, Wagen,

Zur Kunst- und Arbeitsfähigkeit der Hand.

Natur gab uns die sittlich hohen Triebe

Des Einzelnen zu der Gemeinsamkeit,

Zu Menschenrecht und –pflicht, zur Nächstenliebe,

Dass jeder sich dem Großen Ganzen weiht.

So leben wir mit Hoffen, Lachen, Weinen

Und schauen über unsern Tod hinaus

Der besser´n  Zukunft stetiges Erscheinen

Und atmen dafür unser Leben aus.

Im Kampfe singen wir mit Jubeltönen,

Was aus des Weltalls Tiefe zu uns spricht:

In uns der Geist des Guten, Wahren, Schönen

Führt segnend höherwärts – durch Nacht zum Licht.


 

 

 

Grundgedanken der

Freireligiösen Gemeinde Mainz

Anlage zur Präambel der Verfassung

der Freireligiösen Gemeinde Mainz

vom 9. Juni 1992;

Anlage beschlossen am 17. März 1992

basierend auf einem Vorentwurf von
Elke Gensler

Im Wissen um die Geschichte und Tradition der Freireligiösen, deren oberstes Prinzip die freie Selbstbestimmung in allen religiösen Angelegenheiten sowie die Entwicklung einer auf die Bedürfnisse des Menschen bezogenen Religiosität ist,

-      gegründet auf dem Maßstab der Vernunft,

-      verpflichtet der Verantwortung für Mensch, Natur und Umwelt,

-      in Anerkennung der Vielfältigkeit der Lebens- und Weisheitsformen

orientieren sich die Mitglieder der Freireligiösen Gemeinde Mainz an folgenden Grundgedanken, in dem Bewusstsein, dieses auf Grund sich verändernder Erkenntnisse und Bedürfnisse kritisch zu hinterfragen:

1.

Religion ist grundlegendes Element der menschlichen Natur.


Religion ist etwas,

-      was den Menschen im Innersten bewegt,

-      was ihn zutiefst angeht,

-       was ihm wesentlich ist.

2.

Religiös ist der Mensch, der sich nicht gedankenlos vom Schicksal treiben lässt, sondern versucht, dem Leben einen Sinn zu geben. Das religiöse Bedürfnis ist das Bedürfnis, Sinn zu erfahren und Sinn zu stiften. Eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens gefunden zu haben, heißt religiös zu sein.

3.

Im Beziehungsgeflecht von Individuum und Gemeinschaft lassen sich unter anderem folgende Funktionen der Religion benennen, die dem Menschen helfen können:

-      Anstoß und Hilfe zur Sinnfindung zu geben,

-      Rückhalt und Orientierung auf existenzielle Fragen zu finden,

-      Krisensituationen anzunehmen und zu bewältigen,

-      Wertorientierung zu finden,

-      Grunderfahrungen in größere Zusammenhänge zu stellen,

-      bestehende Verhältnisse zu hinterfragen,

-       gemeinschaftsbildend zu wirken.


4.

Freie Religion fordert den Einzelnen auf, eigene Antworten auf existenzielle Grundfragen zu erarbeiten. Sie gibt keine fertige Antworten vor, bietet aber einen Rahmen an, indem sie

-      Den Menschen auf sich selbst verweist, auf seine Kräfte, Fähigkeiten und Gefühle,

-      zum selbstständigen und unabhängigen Suchen nach Wahrheit ermutigt,

-       zum solidarischen, die Rechte des Anderen nicht verletzenden Handeln auffordert.

 

5.

Freireligiöse sind diesseitsorientiert, das heißt sie glauben an die Einmaligkeit ihres Daseins, das sie durch ihr Tun und Lassen selbst verantworten, ohne sich auf eine überweltliche jenseitige Macht zu stützen.

6.

Die religiöse Haltung der Freireligiösen hat ihren Grund im Ergriffensein und positiven Annehmen
einer Wirklichkeit, in der das Erforschliche und das Unerforschte zugleich enthalten sind. Sie sind sich bewusst, dass die uns bekannte Wahrheit nicht die letzte Wahrheit, das ganze Universum nicht die letzte Wirklichkeit ist.


7.

Freie Religion beruht auf der Idee der Ganzheitlichkeit und denkt eine Einheit von

-      Körper und Geist,

-      Mensch und Welt,

-      „Gott“ und Welt.

8.

Das Göttliche ist den Freireligiösen ein Sinnbild für die gestaltenden Kräfte und Ordnungsstrukturen im Naturbereich. Das einzigartige Denkvermögen des Menschen ist Teil davon, und nur er ist Träger des religiösen Gedankengutes und damit der Religion. Somit ist für Freireligiöse „Gott“ im besonderen Maße auch ein Symbol für des Menschen eigene Kräfte, die er in seinem Leben als Praxis von Vernunft und Liebe zu verwirklichen sucht.

9.

Menschen Freier Religion fühlen sich gebunden an das Prinzip der Ehrfurcht vor dem Sein und entwickeln eine religiöse Haltung, die das Mitgefühl und die Mitverantwortung für das Lebendige kultiviert.

10.

Die Wurzeln Freier Religion liegen in den das offizielle Kirchenchristentum kritisch hinterfragenden Bewegungen sowie in den Geistesbewegungen des Humanismus und der Aufklärung.

11.

Freireligiöse nutzen – soweit ethisch verantwortbar – Erkenntnisse der modernen Geistes- und Naturwissenschaft zur eigenen Wertebildung. In Fragen der Religion nehmen sie eine Haltung en, die ohne Preisgabe intellektueller Redlichkeit, praktisch lebbar ist.

12.

Innerhalb des Spektrums Freier Religion ist Raum für theologische Positionen, die von pantheistischen Ansätzen bis hin zu religiös-humanistischen Überzeugungen reichen.

13.

Freie Religion ist nicht gebunden an feststehende Glaubenssätze oder –bekenntnisse.

In der Freireligiösen Gemeinde Mainz haben sich Menschen zusammengeschlossen, die bereit sind, ihr religiöses Bewusstsein zu vertiefen.

Ihre Religion ist frei, weil sie unabhängig von den durch Kirchen geheiligten Grundsätzen (Dogmen) ist.

Sie sind religiös, weil sie sich um eine eigene Haltung dem Leben, der Natur und dem Kosmos gegenüber bemühen.

Diese innere Haltung ist durch eine Gemeinschaft getragen, die den Lebensgang des Einzelnen
begleitet, ein aktives Gemeindeleben fördert und ihr besonderes religiöses Interesse nach außen vertritt.



 

Die hier aufgeführten Grundgedanken der Freireligiösen Gemeinde Mainz sind bewusst allgemein formuliert.

Das ist in einer Religionsgemeinschaft, die jegliche, das Gewissen bindende  Lehre vermeiden will, auch gar nicht anders zu erwarten.

Freireligiöse kennen keine höchste kirchliche Autorität. Es gibt keine Person, die Kraft ihres Amtes oder sonst wie befugt wäre, anderen Freireligiösen vorzuschreiben, was sie zu glauben haben.

Genauso wenig gibt es bei den Gemeinden eine Hierarchie.

Das heißt, jede Gemeinde bestimmt ihre Angelegenheiten selbst. Deshalb kann keine Freireligiöse Gemeinde einer anderen  irgendetwas vorschreiben. Das gilt auch für regionale oder überregionale Zusammenschlüsse von Freireligiösen Gemeinden. Es gibt also keine weisungsbefugnis gegeneinander.

Alles wird in den Gemeinden selbst durch die Gemeindemitglieder demokratisch geregelt. Dieser Grundsatz gilt seit der Gründung erster freier Gemeinden, also seit 1845.

Aber Freiheit kann sich auch hinderlich auswirken!

Wenn es kein gemeinsames Glaubensbekenntnis geben soll und man sich mit Rücksicht auf die Gewissens- und Gedankenfreiheit jedes Einzelnen allenfalls nur auf einen  gewissen gedanklichen Rahmen einigen möchte, dann ist es für Außen-stehende nur sehr schwer möglich, verbindliche freireligiöse Antworten zu bekommen, auf Fragen, die viele Menschen im Innern bewegen.

Aus diesen Gründen hat auf den folgenden Seiten ein Freireligiöser versucht, einmal seine  persönlichen religiösen Gedanken zu formulieren.

 . . .  Aber das ist nur eine von vielen freireligiösen Gedankengängen, und allgemeinverbindlich sind diese auch nicht. Sie sind allenfalls eine Orientie-rungshilfe.

Freiheit, das bedeutet nicht nur die Befreiung von Zwängen, sondern Freiheit in Sachen Religion bedeutet auch, dass es so viele religiöse Anschauungen gibt wie Köpfe.

Und das ist auch so gewollt, zumindest in Freireligiösen Gemeinden.

 

 

 

 

Ich nenne mich freireligiös,    . . .  nach Ansicht von Lothar Geis

weil . . .

ð     . . . ich Religiosität als eine wichtige Eigenschaft des Menschen  betrachte.

ð     . . . ich glaube, dass Religionen, bei all ihren bisherigen negativen geschichtlichen Folgeerscheinungen, auch  positive Auswirkungen auf die Menschen und die menschliche Kultur haben können.

ð     . . . ich mich bewusst zu Religion bekenne.

ð     . . . ich mich dazu bekennen, mich als Anhänger eines modernen Weltbildes dennoch religiös zu fühlen.

Die damit zwangsläufig verbundene Frage, was das moderne  Weltbild sei, beantworte ich mit dem Hinweis auf das aktuelle Abiturwissen, und das ist nicht kompatibel mit den wundersamen Geschichten, auf die sich Religionen gründen und mit denen sie ihre Lehre begründen.

ð     . . . ich Religion von Märchen, Mythen und Legenden befreit wissen und zu einer nicht weltabgewandten, sondern zu einer mit dem modernen Leben im Einklang befindlichen Religiosität finden will.


Ich nenne mich freireligiös, weil . . .

ð     . . . ich Religion definiere (eine von vielen möglichen Definitionen) als . . .

 „das von Ehrfurcht und Vertrauen getragene Verhältnis zum Dasein und das daraus  erwachsende sittliche Verantwortungsbewusstsein“.

ð     . . . ich glaube, dass es bezüglich des Wahrheitsgehaltes aller existierenden Religionen nur zwei Möglichkeiten gibt:

Entweder ist eine von den vielen existierenden tausenden Religionen wahr, dann sind alle anderen falsch,        oder

alle Religionen sind falsch, dann ist keine wahr.

ð     . . . ich glaube, dass es keine „wahre“ Religion gibt und alle Religionen nur Menschenwerk und deshalb falsch sind.

Ich halte jedes religiöse Gedankenkonstrukt für ein Produkt der Lebens- und Weltanschauung der Völker oder Menschengruppen, die sie begründeten bzw. praktizierten. Die Religionen spiegeln immer das
jeweilige Weltverständnis jener Kultur wider, in der sie entstanden sind.

ð     . . . ich glaube, dass die Auffassung der Anhänger der herkömmlichen Religionen, sie verfügten über den „wahren Glauben“, leider immer zwangsläufig zu der unseligen  Schlussfolgerung führte, alle anderen seien „Falschgläubige“. Diese Auffassung war stets Ursache für unzählige Kriege, Elend und Leid in der Menschheitsgeschichte.


Ich nenne mich freireligiös, weil . . .

ð     . . . ich anstrebe, zu einer von bindenden Glaubensregeln und Dogmen befreiten Religiosität finden zu
wollen.

Als Freireligiöser betrachte ich das permanente Eintreten gegen alle äußeren Versuche, vorgefasste, unhinterfragbare Denkbilder auch im Alltag zu etablieren, als eine nie endende Aufgabe. Das religiöse Weltbild und das des Alltags dürfen sich nicht widersprechen.

ð     . . . ich mich auch von der herkömmlichen Gottesidee gelöst habe.

Die Vorstellung, wir hätten einen „lieben Vater“ im Himmel, hält weder einer philosophischen, noch einer sonstigen wissenschaftlichen oder gedanklichen
Über­prüfung stand.

ð     . . . ich im Gegensatz zur katholischen Theologie nicht glaube, dass die Existenz Gottes beweisbar sei.

Alle so genannten Gottesbeweise sind logisch nicht haltbar.

·      Ein häufig aufgeführter „Beweis“ besagt, dass alles eine Ursache habe und die letzte Ursache eben Gott sei.

>          Dem lässt sich entgegnen: Wenn alles eine Ursache hat, was ist dann die Ursache von Gott?

·      Ein anderer so genannter Gottesbeweis besagt, dass allein, weil der Begriff „Gott“ auf der ganzen Welt verbreitet ist, Gott deshalb existieren müsse, denn wie anders könnte sonst die Menschheit zu dem Begriff „Gott“ gekommen sein?

>          Dem ist entgegenzusetzen, dass der Gottesbegriff aus menschlicher Sehnsucht nach Geborgenheit und Schutz heraus entstanden ist, denn es ist tröstlich, zugleich aber auch infantil, darauf zu hoffen, dass ein Übervater jeden von uns rundum beschützt.

Wer über Gott redet, ohne seine Existenz zu hinterfragen, beschreibt nur dessen Eigenschaften, also das Sosein Gottes.

>          Der Gegenbeweis gegen diesen „(= ontologischen) Gottesbeweis“  stammt vom deutschen Philosophen Immanuel Kant. Er stellte schlichtweg fest, dass man von einer Beschreibung des Soseins einer Sache nicht auf deren Dasein schließen kann, oder moderner ausgedrückt: Es ist logisch nicht zulässig, vom Wesen einer Sache auf die Existenz dieser Sache zu schließen.

Ich nenne mich freireligiös, weil . . .

ð     . . . ich eine Religion, oder besser gesagt, eine       Religiosität leben möchte

-        frei von bindenden Glaubensregeln,

-        ohne Glaubensdogmen und

-        ohne einen persönlichen Gottesbegriff.


Ich nenne mich freireligiös, weil . . .

ð     . . . ich in dem Spruch von Marie von Ebner Eschenbach:

„Es schlägt ein einzig Herz in diesem All,

in deiner eignen Brust ertönt sein Widerhall.“

eine treffende Darstellung meines freireligiösen Gefühls sehe.

Mit Goethes Sechszeiler:

„Was wär´ ein Gott, der nur von außen stieße,

im Kreis das All am Finger laufen ließe!

Ihm ziemt´s, die Welt im Innern zu bewegen,

Natur in sich, sich in Natur zu hegen,

So dass, was in ihm lebt und webt und ist,
nie seine Kraft, nie seinen Geist  vermisst.“

fühle ich, dass es eine Kraft in dieser Welt gibt, die größer ist als wir, und über die Menschen nicht verfügen können. In ihr „leben und weben“ wir, und das Nachdenken darüber ist mir bereits Religion.

ð     . . . ich nicht der Ansicht bin, dass wahre menschliche Ethik erst mit den 10  Geboten und dem Christentum in die Welt kamen.

Sieht man einmal von den Geboten ab, die sich mit dem christlichen Gottesbegriff befassen, so formulieren die anderen Gebote (Eigentum respektieren, keine Ehen zerstören, nicht töten, nicht stehlen usw.) lediglich das, was in allen, selbst den ursprünglichsten menschlichen Gesellschaften schon immer galt und gilt.

Die 10 Gebote stellen also keinen ethischen Fortschritt in der Menschheitsgeschichte dar.
Sehr viel weiter gehend als die 10 Gebote ist die so genannte Goldene Regel. Sie heißt:

„Was Du willst, dass man dir nicht tu´,
das füg auch keinem Anderen zu.“ 

Diese Regel ist sehr viel älter als die christliche und entstammt dem asiatischen Kulturkreis.

ð     . . . ich im Gegensatz zu den Anhängern anderer Religionen „das Böse“ nicht als eine Macht sehe, die in der Welt danach trachtet, die Macht des Guten (Gott) zu bekämpfen.

Das Gute oder das Böse sind für mich als Freireligiösen keine eigenständigen Mächte in dieser Welt.

Erich Kästner hat formuliert „Es gibt nichts Gutes,
außer man tut es!“. Das heißt nichts anderes, als dass das Handeln Einzelner positive Folgen auf das Leben anderer Menschen haben kann. Gutes tun ist erwünscht. Unerwünscht hingegen ist böses Handeln. Darunter ist alles zu verstehen, was einzelnen Menschen oder Gruppen von Menschen, aber auch unseren Lebensgrundlagen Schaden zufügt. Es wird als schlecht, als schmerzlich, als böse empfunden.
Abgesehen von Unglück als Folge von Naturkatastrophen, Unfällen oder durch Unglück gibt es viel Böses, das durch Menschen herbeigeführt wird.

Das Böse jedoch, verstanden als eine agierende Macht, die gezielt gegen das Gute kämpft, gibt es nach meiner freireligiösen Auffassung nicht.


Ich nenne mich freireligiös, weil . . .

ð     . . . ich den Tod als das Ende des individuellen Lebens betrachte.

Ebenso wenig glaube ich an die Unsterblichkeit der Seele, wie wir Freireligiösen überhaupt dem Seelenbegriff sehr kritisch gegenüber stehen.

So schmerzlich es ist, einen geliebten Menschen durch Tod zu verlieren, so ist doch auch die andere Seite des Todes zu sehen.

Ohne Tod ist neues Leben nicht möglich. Vergehen und Werden ist ein durchgehendes Prinzip in der Natur.
Die Evolution des Lebens, und damit die Fähigkeit zur Modifikation der Lebensformen, wird über das Werden und Vergehen weitergegeben.

Auch für uns Menschen hat der Tod eine Bedeutung für unser Handeln.
Das Wissen um unsere zeitlich begrenzte Existenz hat Einfluss auf unser ethisches Verhalten. Wer ewig lebt, muss sich bei anderen, denen er Unrecht getan hat, nicht gleich entschuldigen.

Unsere begrenzte Lebensdauer verpflichtet uns hingegen geradezu dazu, unser Verhältnis zu unseren Mitmenschen und zu unserer Nachwelt zu bereinigen, denn das vermögen wir nur vor unserem Tod zu tun.

Auch werden die Folgen unser jetzigen Handelns vom Wissen um unseren sicheren Tod bestimmt. Wer möchte etwas entscheiden, unter dem noch die Kinder und Kindeskinder zu leiden hätten? 

Im Angesicht seiner begrenzten zeitlichen Existenz beginnt der Mensch verantwortlich und damit religiös zu denken.

Der Freireligiöse Prediger Wilhelm Hieronymi beschrieb freie Religiosität bereits im 19. Jahrhundert wie folgt:

„Uns ist es genug zu wissen:
Wir gehören einem unendlich lebevollen Weltall an.
Aus ihm wurden wir, in ihm leben wir, in ihm
bleiben wir.
Der Tod ist nicht Vernichtung, er ist Verwandlung.
Ewig fließt des Lebens unerschöpflicher Quell.“ 

 

Mit dieser Aussage wird auch heute noch das religiöse Empfinden vieler Freireligiösen ziemlich treffend dargestellt.

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Freireligiösen

und die Religion

a.         Einordnung der Religionen

b.         Zum Religionsbegriff

c.         Freireligiöse „Theologie“  

 



Einordnung der Religionen

Lothar Geis

 

Für die meisten Menschen bedeutet religiös sein, an Gott zu glauben, gelegentlich in die Kirche zu gehen, Kirchensteuer zu zahlen und an das Meiste zu glauben, was der Pfarrer als christliche Glaubenslehre vor der Gemeinde  formuliert und vertritt.

Wer nicht so eng mit der Kirche oder den von ihr vertretenen Glaubenslehren verbunden ist, vertritt in der Regel die Ansicht, religiös sein hieße, an Gott zu glauben.

Auch wenn diese Meinung weit verbreitet ist, so ist sie dennoch falsch. Sie ist schon deshalb unrichtig, weil sie nicht geeignet ist, als gemeinsames und kennzeichnendes Merkmal aller Religionen, die auf dieser Erde anzutreffen sind,  herangezogen zu werden.  

Warum das so ist, zeigt die Religionswissenschaft.
Menschen freier Religion orientieren sich gerne an deren Erkenntnisse, denn sie vermittelt ein weitgehend objektives und übergeordnetes Bild.

Schon im neunzehnten Jahrhundert haben die Begründer der Religionswissenschaft die Religionen nach bestimmten Glaubensinhalten klassifiziert, und dabei ergab sich, dass nur sehr wenige der zigtausend bekannten Konfessionen an einen einzigen Gott glauben.

Es ist unzutreffend und falsch, dass man Religion mit dem Glauben an Gott gleichsetzt!

Übrigens ist es in diesem Zusammenhang sehr viel konsequenter, von Konfessionen (Konfession = Bekenntnis) zu sprechen, als von Religionen.

Beim Religionsbegriff konnte sich die Wissenschaft bis heute auf keine einheitliche, von allen anerkannte Definition
einigen, was vor allem daran liegt, dass jeder, der sich an einer entsprechende Beschreibung versucht, immer seine eigene Anschauungen mit einbringt.

Nach der Religionswissenschaft gilt als niedrigste Klassifizierungsstufe der Konfessionen der Animatismus.

Animatistische Religionen (Konfessionen) gehen davon aus, dass alle Lebewesen und Gegenstände auf der Welt eine Seele haben. Das gilt sowohl für Menschen, wie auch für Tiere, Pflanzen, Berge und so weiter.

Ein animatistisches Weltbild ist vergleichbar mit der Welt, wie wir sie aus Märchen kennen. Auch dort werden zum Beispiel Bäume und Tiere als eigenständige beseelte Wesen aufgefasst, und deshalb können in den Märchen zum Beispiel Tiere und Bäume zu den Menschen sprechen.
Der Animatismus gilt als die niedrigste Stufe in der Konfessionsklassifizierung; man findet die Anschauung übrigens bei kleinen Kindern ebenso vor, wie bei bestimmten, noch ursprünglichen Völkern.
Weil Animatismus von der Beseeltheit aller belebten und unbelebten Objekte ausgeht, ist der Übergang zu den
animistischen Religionen fließend.

Der Animismus, als nächsthöhere Klassifizierungsstufe der Konfessionen, ergibt sich aus dem Animatismus.
Wenn nämlich außer Frage steht, dass alle Menschen und Dinge eine Seele haben, dann ist es nur folgerichtig, dass die Seelen in den Körpern wohnen. Dementsprechend  muss die Seele etwas unkörperliches, also etwas geistiges sein.

Die Seele wird zudem als Träger des Lebens aufgefasst.  Nach den Vorstellungen des Animismus lebt die Seele im Körper und verlässt ihn beim Tod. Daraus ergibt sich für die Anhänger des Animismus die Frage, wohin die Seele nach dem Tod geht.

In der hiesigen Welt sind die Seelen nicht zu beobachten. Folglich müssen sie deshalb in einer anderen, einer nicht diesseitigen, und deshalb in einer angenommenen jenseitigen Welt leben. Mit dem Animismus entsteht die Vorstellung von einer diesseitigen und einer jenseitigen Welt. 

Das wichtigste Kennzeichen des Animismus ist der Ahnenkult. Innerhalb der Familien gedenkt man der verstorbenen Ahnen. Man verehrt sie, indem man ihnen Altäre errichtet, zu ihnen betet, kleine Opfergaben darbietet bis hin zur Einrichtung eines Platzes an der Festtafel bei gemeinsamen Familienfeiern. Die Seelen haben nach ihrem Tod weiterhin einen Platz in der Familie, und man unterstellt, dass die Verstorbenen (= Ahnen) die Lebenden weiter beobachten und auch beschützen.

Eine Steigerung im Animismus stellt der Manenkult dar. Manen sind Seelen von Menschen, die während ihres Lebens etwas Besonderes darstellten, eine herausragende Autorität besaßen oder etwas Besonderes geleistet haben.

Zum Beispiel herrscht im Manenkult die Vorstellung, dass der verstorbene Häuptling auch nach seinem Tod aus dem Jenseits heraus noch Interesse am Wohlergehen seines Stammes hat und mit Hilfe magischer Kräfte stets dafür sorgt, Unglück von seinem Stamm fern zu halten. Die Manen beschützen die Menschen. Man kann die Geister (= Manen) bei Gefahr um Hilfe bitten.

Die unzähligen Spuk- und Geistergeschichten, die wir allein aus unserem europäischen Kulturkreis kennen, haben ihren Ursprung in solch animistischen Auffassungen. Diese wiederum sind häufig Hinterlassenschaft aus den antiken Kulturen, zum Beispiel der Römer, die solche Vorstellungen besonders pflegten.

Parallel zum Manenkult und seinen Geistervorstellungen herrschen Vorstellungen, dass zum Beispiel besonders mächtige Bäume, aber auch Flüsse oder bestimmte Berge von einem mächtigen Geist beseelt sind. Sie werden als heilig verehrt. Die Vorstellungen zwischen Geistern und besonders mächtigen Geistern (Manen) bis hin zu Göttern beginnen sich zu verwischen, so dass auf diesem Wege die untere Stufe des Polytheismus (= Vielgottglaube) in den Vorstellungen bestimmter Völker erreicht wird.

Von da an ist es kein großer Schritt mehr zur nächst höheren Stufe des Polytheismus. Diese ist dann erreicht, wenn man keine Götter mehr in jedem Baum vermutet, sondern stattdessen beispielsweise einen Gott des Waldes oder eines Flusses verehrt, und in einer weiteren Steigerungs-stufe Göttinnen oder Götter für bestimmte Phänomene, wie Liebe oder Weisheit, Gerechtigkeit oder List, erdenkt. Damit ist die höchste Stufe des Polytheismus erreicht, wie sie in den antiken Religionen der Römer, Griechen, Ägypter, aber auch der Germanen zum Ausdruck kamen.  

Als nächsthöhere Stufe, so besagt die Theorie der Religionsentwicklung, setzte sich die Ansicht durch, dass vielleicht nur ein einziger Gott  als Weltenlenker fungiert. Der muss natürlich dann all das können, was man bisher den anderen Göttern zugeschrieben hatte. So wird  die Entwicklung zum Eingottglauben (= Monotheismus) erklärt.

Die erste monotheistische Religion gab es in Ägypten. Sie wurde von Amenophis IV., auch als Echnaton bezeichnet, um ca. 1350 v.d. Zeitrechnung begründet. Echnaton, der mit Nofretete verheiratet war, sorgte für die Anbetung des Sonnengottes Aton. Mit Ende der Herrschaft Echnatons endete die erste monotheistische Staatsreligion.

Die Religion der Juden, das Christentum und  der Islam gelten als monotheistische Religionen. Alle drei gehen auf eine gemeinsame Wurzel zurück. Denn alle drei berufen sich auf den gemeinsamen Stammvater Abraham. Vermutlich wanderte dieser Kulturstifter etwa um 1800 vor der Zeitrechnung in Palästina ein.

Sie werden deshalb abrahamitische Religionen genannt. Der Mythos berichtet, dass Gott Kontakt mit Abraham aufnahm und von ihm als Beweis des Glaubens an ihn die Opferung seines Sohnes Isaak verlangte. Als Gott die Bereitwilligkeit Abrahams sah, seinem Befehl nachzukommen, stoppte er die Opferung im letzten Moment.

Moses soll den Monotheismus bei den bis dahin verschiedene unterschiedliche Götter anbetenden israelischen Stämmen durchgesetzt haben. Indem er sie auf diesen neuen Glauben einschwor, einigte er die 12 Stämme.

Es waren also poltische Gründe, die dazu führten, anstelle der jeweiligen Götter der verschiedenen israelitischen Stämme einen einzigen Gott zu setzen. Jeder Stamm hatte damit die Möglichkeit, seine bisherige Gottheit in dem neuen einzigen Gott zu erkennen.

Nach dem Mythos empfing Moses auf dem Berge Sinai die 10 Gebote und brachte damit dem Volk Israel eine neue Kultur. So soll die Religion der Juden, auch Judentum oder  Mosaismus genannt, entstanden sein.

Jesus wurde als Jude geboren und reformierte mit seinen Ansichten und Lehren das Judentum. Der Mythos erzählt, er sei als Sohn Gottes geboren und von Gott beauftragt, den Menschen eine neue Lehre zu bringen und sie so vor Höllenstrafen wegen ihrer Sünden zu bewahren.

Die Anhänger Jesus erklärten ihn zum Retter (Messias = der von Gott verheißene Erlöser) und zum wahren König der Menschen. Könige wurden zum Zeichen ihrer Würde damals gesalbt, weshalb seine Anhänger ihn zum „Gesalbten“ (= Christos) erklärten.

Aus dem Wort Christos entstand zur Bezeichnung der Anhänger der neuen Religion die Bezeichnung Christ und Christentum. Im Christentum spielt das Weiterleben nach dem Tod und in diesem Zusammenhang auch die Versündigung des Menschen eine große Rolle. Christen fürchten nach ihrem Tod ein Strafgericht für ihre irdischen Sünden.

Die dritte Religion aus abrahamitischer Wurzel ist der Islam. Sein Begründer war Mohammed, der im 6. und 7. Jahrhundert als reicher Kaufmann in Mekka lebte. Auf seinen Handelsreisen lernte er viel über Judentum, Christentum und andere Religionen kennen.

Ab dem Jahr 610 (n. d. Zeitrechnung)  trat er als Prophet auf und verkündete seine Lehren, die er aufgrund göttlicher Offenbarungen empfangen habe. Auch den Koran, das Heilige Buch des Islam, will Mohammed auf diese Weise empfangen haben. Die Fragen von menschlichen Sünden und einem göttlichen Gericht darüber beschäftigten ihn sehr.

Wegen seiner Lehren musste Mohammed 622 Mekka verlassen. Von Medina aus, wo er sich nach seiner Vertreibung hingewandt hatte, konnte er schließlich mit seinen Anhängern im Jahr 630 Mekka militärisch besetzen und sorgte auf diese Weise für die Befestigung der Lehre des Islams.

Der erste nachhaltige Monotheismus entstand in Form der jüdischen Religion. Aus der jüdischen Glaubenslehre ging das Christentum hervor. Auch der Islam fußt auf jüdischen und christlichen Vorstellungen und Überlieferungen.  

Daneben gab es schon lange vor den abrahamitischen Religionen, vor allem im asiatischen Raum, andere Entwicklungen.

So stellt die Urreligion der Chinesen eine Harmonielehre dar, in der die Menschen die Aufgabe haben, die Harmonie zwischen den jenseitigen und diesseitigen Mächten so wenig wie möglich zu stören. Hier gibt es zwar einen Glauben an Geister als Ausdruck für die Disharmonien in der Welt, jedoch keine Gottesvorstellung.

Eine andere Entwicklung stellen Religionen dar, die der Karmalehre anhängen. Die Karmalehre hängt untrennbar mit dem Glauben an die Wiedergeburt zusammen. Demnach werden die Lebewesen bald nach ihrem Tod in einer anderen Gestalt wiedergeboren. Ein Mensch kann entweder wieder als Mensch aber auch beispielsweise als Ratte oder Elefant oder als ein anderes Lebewesen wiedergeboren werden. Das Karma, ein erweiterter Seelenbe­griff, lebt im Menschen und verlässt ihn nach seinem Tode. Je nachdem, ob der Tote ein guter oder ein schlechter Mensch gewesen ist, empfängt er ein höheres oder ein niedrigeres Karma, wenn er wieder geboren wird. Der Glauben an die Wiedergeburt wird auch Reinkarnationslehre [sprich: Re - inkarnation] genannt.

 

Religionen, in denen die Karmalehre im Mittelpunkt der Auffassungen steht, kennen keinen (monotheistischen) Gott. So auch im Buddhismus, der eine Weltreligion ist.

 

Der asiatische Taoismus ist ähnlich geprägt.

Schließlich gibt es auch Religionen, die auf Lehrer (Weisheitslehrer) zurückgehen, wie Konfuzius (Konfuzianismus) oder Buddha (Buddhismus).

Die Religionen der Karmalehre (z. B. Hinduismus), der Reinkarnationslehre, des Taoismus oder des Konfuzianismus und des Buddhismus kennen keinen persönlichen Gottesbegriff. Auch dies beweist einmal mehr, dass es nicht zutreffend und wissenschaftlich deshalb falsch ist, Religion als Glauben an Gott zu definieren.

Zur Tatsache, dass sich die Religionen den jeweiligen Umständen der menschlichen Gesellschaften entsprechend entwickelt haben, zeigt sich, dass die Religionen und Konfessionen auch die jeweiligen Herrschaftsformen, unter denen sie existieren, auf ihre Glaubensvorstellungen übertragen. 

In von Häuptlingen beherrschten Gesellschaften beginnt es mit dem Glauben an einzelne mächtigen Geister, aus denen schließlich Götter werden, analog zu den weltlichen Herrschern (Häuptlinge), die monarchisch über einen Stamm herrschen.

Die Entwicklung geht weiter bis hin zu überlokalen Gott-heiten mit ihrer Entsprechung von Herrschern, die über mehrere Völker herrschen.

Schon durch diesen sehr verkürzten und vereinfachten Überblick über die verschiedenen Religionen auf dieser Erde in den verschiedenen Kulturen zeigt sich, wie schwer es ist, das Phänomen Religion wissenschaftlich exakt zu fassen oder gar zu definieren, zumal alle beschriebenen Religionsformen noch immer existent sind.

Vor allem aber zeigt sich aus dieser Übersicht, dass die weit verbreitete Auffassung, wonach Religion nur der Glaube an einen persönlichen Gott sei, wissenschaftlich nicht haltbar ist.

Damit stellt sich die Frage, wie das Phänomen Religion, außer anhand der verschiedenen Gottesvorstellungen sonst noch zu beschreiben ist.


 

 

Zum Religionsbegriff

Lothar Geis

Es ist schon ein interessantes Phänomen, dass sich die Wissenschaft noch auf keine einheitliche, von allen aner-kannte, Definition des Begriffs Religion einigen konnte.
Der Grund liegt vor allem darin, dass jeder, der sich an einer Religionsdefinition versucht, dieses Phänomen nach seiner persönlichen Einschätzung bzw. seinem Glauben beschreibt.  

Ein besonderes Beispiel hierfür bietet die katholische Kirche. Sie erkennt religionswissenschaftliche Erkenntnisse an, sofern es um andere Religionen, oder besser gesagt, um andere Konfessionen geht.

Auf ihre eigene Religion, das Christentum, bezogen, so die katholische Kirche, träfen jedoch die Erkenntnisse der Religionswissenschaft nicht zu, weil das Christentum ja direkt durch Gott über Jesus Christus den Gläubigen offenbart worden sei. Und weil diese Offenbarung von Gott komme, so sei sie unhinterfragbar wahr.

Letztlich behaupten das in ähnlicher Weise alle Religionen bzw. Konfessionen von ihrer Lehre.
Der Standpunkt enthält noch eine zweite Schlussfolgerung. Sie lautet: „Weil ich aufgrund meines Glaubens meine Konfession für die einzig wahre halte, müssen – und das ergibt sich zwingend daraus - alle anderen davon abweichenden religiösen Ansichten deshalb falsch sein.

Weil falsche Ansichten nicht zum Heil der Menschen beitragen, müssen die „Ungläubigen“ zum „wahren Glauben“ bekehrt werden. Leider berichtet die Menschheitsgeschichte von vielen, aus solchen religiös motivierten Gedankengängen hervorgerufenen, grausamen Massakern und Kriegen.   

Auch darin liegt ein weiterer Grund, warum es bis heute keine einheitliche Religionsdefinition gibt.

Damit stellt sich die Frage, wie denn die Freireligiösen Religion definieren. Wer sich als frei in Religion versteht, muss etwas zu diesem Begriff sagen können. 

Die freireligiöse Reflektion zum Religionsbegriff  beginnt mit der Ablehnung der herkömmlichen Vorstellungen der monotheistischen Religionen von einem allgegenwärtigen, allmächtigen, allweisen und persönlichen Gott, der alles unter Kontrolle hat (angeblich fällt kein Sperling vom Himmel ohne seine Zustimmung).

Dieser Gott soll von außen auf die Welt einwirken und sei  gleichzeitig auch in dieser Welt präsent (= immanent), ohne mit ihr identisch zu sein, weil er nämlich, so die monotheistische Theologie (= Gotteslehre) transzendent (= übernatürlich) sei.

Freireligiöse können das nicht glauben. Nicht nur, weil sich die Eigenschaften der Personalität und der Allgegenwart widersprechen, sondern weil auch die Begriffe der Immanenz und der Transzendenz unüberbrückbare Gegensätze darstellen.  

Freireligiöse können zudem nicht glauben, dass ein Gott nur einem bestimmten Teil der Menschheit die wahre Religion offenbart hat und die Verbreitung dieser „wahren Religion“ jetzt diesen Menschen und deren Nachkommen beziehungsweise dessen Anhängern überlässt. Und all jenen, die sich nicht überzeugen lassen, wird ewige Verdammnis angedroht.

Weil sich Gott nach den Berichten der monotheistischen Offenbarungsreligionen (Judentum, Christentum und Islam) in dreifacher Weise offenbart hat, bleibt die Angelegenheit zudem sehr verwirrend.

Welche der Offenbarungen Gottes ist die wahre gewesen? Die gegenüber Moses oder Jesus oder Mohammeds?
An welche dieser „Offenbarungen“ soll man also glauben?  

Angesichts der daneben noch existierenden unzählig vielen anderen Religionen auf dieser Erde stellt sich insgesamt die Frage, welche davon denn die wahre und richtige sei.

Die freireligiöse ‚Antwort darauf lautet, dass keine Religion oder Konfession wahr ist und sie alle von Menschen erdacht und gemacht sind. Aus der Vernunft heraus ergeben sich zur Lösung des Problems nur zwei Möglichkeiten:

Entweder ist

a) eine Religion richtig, dann sind folgerichtig

    alle anderen falsch   oder

b) alle sind falsch.

Die Freireligiösen neigen zur Annahme, dass alle Konfessionen und Religionen falsch bzw. Menschenwerk sind.

Dennoch halten Freireligiöse an Religion, oder besser gesagt, an Religiosität fest.


Sie bezeichnen sich als frei in ihrer Religion, weil sie ihr religiöses Empfinden im Einklang mit dem heutigen Weltbild sehen.

Die Freireligiösen wollen ihre religiösen Ansichten von allem Legendenhaften und Wundersamen frei halten. Wenn alles Natur ist, wie kann es dann Übernatürliches geben?

Um nur ein Beispiel eines „gebräuchlichen“ religiösen Wunders zu nennen, sei das Pfingstwunder erwähnt. Die Bibel berichtet die Ausschüttung des Heiligen Geistes an Pfingsten über die Jünger und ihre sich daraufhin ergebende
Fähigkeit, andere Sprachen verstehen und sprechen zu können. So etwas ist für moderne Menschen nicht glaubhaft.

Doch wie beschreibt man, was Religion ist?

Da gibt es die allgemeine Ansicht, Religion drücke emotionale Bindung aus. Darauf baut auch eine freireligiöse Definition auf. Sie lautet:

„Religion ist das von Ehrfurcht und
Vertrauen getragene Verhältnis zum Dasein und das
daraus entspringende Verantwortungsbewusstsein“.   

Dieser Satz ist für viele Menschen nicht gerade eine Offenbarung. Was soll damit ausgedrückt werden?

Zum einen sagen uns die Philosophen, dass es insgesamt sehr erstaunlich sei, dass überhaupt etwas existiert, denn es wäre von der Vernunft her sehr viel leichter zu erklären, wenn nichts existierte.

Die Argumentation: „Aus nichts wird nichts!“ entspricht menschlicher Erfahrung und ist deshalb gut nachvollziehbar.

Zum anderen ist jedoch nun einmal Fakt: Unsere Erde, das Weltall, die Natur und wir, jeder Einzelne von uns, das alles, und wir alle existieren. Warum, bleibt ein Geheimnis.

Für uns einzelne Menschen tun sich in diesem Zusammenhang weitere Fragen auf: Warum existiere ich? Warum lebe ich heute? Warum habe ich nicht vor tausenden oder vor hundert Jahren gelebt? Warum bin ich in diesen Kulturkreis hineingeboren worden? Warum bin ich nicht als Eskimo auf die Welt gekommen? Warum sind das meine Eltern und nicht andere? Ist das alles Zufall oder ist es Bestimmung? Warum lebe ich überhaupt? Habe ich während meines Lebens eine Aufgabe zu erfüllen? Was ist der Sinn meines Lebens? Gibt es überhaupt einen Sinn des Lebens? - und viele andere mehr.

Als areligiöser Mensch könnte ich antworten: „Das ist alles Zufall und ohne einen weiteren  Zusammenhang!“  

Als religiöser Mensch verschließt sich mir solch eine Einstellung, und deshalb antworte ich: “Ich weiß keine Antwort auf all diese Fragen!“ „Mein Gefühl sagt mir, dass ich meine Existenz Umständen verdanke, die ich nicht verstehe und die von Menschen nicht beeinflussbar sind.“ Das bedeutet, dass da eine Kraft am Werk ist, über die wir Menschen nicht verfügen, die wir nicht beeinflussen können.

Das macht mir jedoch keine Angst, ich gebe mich dem Umstand meiner Existenz und der Nichtbeantwortbarkeit dieser Fragen vertrauensvoll hin, denn ich bin ein – wenn auch ein winziges - Teil von allem was existiert, und deshalb bin ich, wie alles Existierende, den selben, damit im Zusammenhang stehenden, Gesetzmäßigkeiten unterworfen.

Für diese Kraft, von dem das Gedicht von Friedrich Schrader handelt, und das er mit „Das Eine in allem“ benannt hat, gibt es viele Namen.

Man kann es Gott nennen. Wir Freireligiöse nennen es lieber „Das Göttliche“. Andere Begriffe wären zum Beispiel: „Das Ewige“, „Urgrund allen Seins“ oder die „Schöpferkraft“.

Diese nur schwer zu benennende Kraft, von der es in Schraders Gedicht heißt: „Ich wollte es mit Namen nennen / grub meinen Wortschatz um und um. / Am Ende kann ich nur bekennen: / Ich bleibe ehrfurchtsvoll und stumm“ ist eine ordnende Kraft. Das wird in allen Wissenschaften deutlich, bis hin zur Philosophie.

Arthur Schopenhauer nahm diese wollende und ordnende Kraft als Titel eines seiner Werke auf, das er „Die Welt als Wille und Vorstellung“ benannte.

Die Schöpferkraft wirkt über das Werden und das Vergehen von allem was existiert. Wer diese ordnende Schöpferkraft in der Welt erkennt und anerkennt und sich als ein Teil davon fühlt, der ist religiös.

Wer sich dieses Gefühl nicht durch Glaubenslehren gängeln lassen will, der fühlt freireligiös.

Freireligiöse benötigen kein theoretisches Lehrgebäude für ihre Religion. Sie fühlen mit Goethe:

„Und wer dies nicht hat,
dies Stirb und Werde,
bleibt nur ein armer Gast
auf dieser Erde.“

Nicht alle fühlen so. Überzeugte Areligiöse oder  Atheisten halten jegliche metaphysischen Vorstellungen einschließlich Religion für überflüssig und für ein Relikt aus alten Zeiten. Sie verdammen sowohl die historischen als auch die  heute noch existierenden Religionen, vor allem unter Hinweis auf die Tatsache, dass durch sie viel Elend und Kriege über die Menschheit gekommen sind, und die Glaubenskämpfe unzählige Menschenleben gekostet haben und noch kosten werden.   

Die Freireligiöse Auffassung von „dem Einen in allem“ können sie nicht nachvollziehen. Diskussionen darüber sind zum Scheitern verurteilt.

In diesem Zusammenhang lässt sich vielleicht ein Vergleich mit der Musikalität heranziehen. Man kann einen unmusikalischen Menschen allein durch Reden nicht für die Feinheiten der Musik begeistern.

Umberto Ecco, weltweit bekannter Autor des Romans „Der Name der Rose“ und emeritierter Professor an der Universität Bologna  drückt sich zur Position des areligiösen Athe­ismus wie folgt aus:

„[Bei den] Atheisten kann ich gut kantianisch [nach der Lehre des Philosophen Kant] nicht verstehen, wie man nicht an Gott glauben und der Meinung sein kann, dass seine Existenz nicht zu beweisen ist, um dann fest an die Inexistenz Gottes zu glauben, in der Meinung, sie sei beweisbar.“

Freireligiöse sehen das genauso. Auf der einen Seite können Freireligiöse nicht an einen persönlichen Gott glauben, wie ihn die Kirchen als allgegenwärtig, allgütig und allweise lehren. Denn persönliche Existenz und Allgegenwärtigkeit, also die Fähigkeit gleichzeitig an allen Orten in der Welt gegenwärtig zu sein, widerspricht der Vernunft.

Andererseits widerstrebt es den Anhängern einer Freien Religion, deshalb einfach die Nichtexistenz Gottes zu behaupten.

Freireligiöse spüren, dass es etwas gibt, das größer ist als jeder Einzelne.

„Ich spüre etwas, das größer ist, als ich, etwas, was mich bestimmt, denn auf bestimmte Dinge in meinem Leben habe ich keinen Einfluss. Ich bestimme nicht den Tag meiner Geburt, nicht den Tag meines natürlichen Todes.
In der Natur, also das, was aus sich selbst heraus entstanden ist, wirkt eine schöpferische Kraft. Diese Kraft ist eine ordnende Kraft. Sie ordnet und organisiert zum Beispiel Leben in vielfältiger, oft verblüffender Weise.

Ein besonderes Zeugnis dieser Schöpferkraft zeigt sich in den Erkenntnissen, die wir über die Evolution, also der Entstehung und Fortentwicklung allen Lebens auf der Erde gewonnen haben. Die Schöpferkraft hat immer neue Arten hervorgebracht und zeigt dabei eine Tendenz zur Höherentwicklung der Lebensformen.“

So oder so ähnlich denken viele Freireligiöse.
Freie Religion bedeutet die emotionale Bindung an das Schöpferische, wie es Friedrich Schrader so treffend ausdrückt:

Das Eine in allem

In allem wohnt und wirkt das Eine,

im Hälmchen, das zum Lichte strebt,

im Menschenwesen, das alleine

zu edlem Denken sich erhebt.

Geheimnis bleibt sie mir, die Kraft,

aus der sich Halm und Mensch gebiert,

das Eine, welches ewig schafft,

von Tod und Alter unberührt.

Wir sind sein Kleid, ich und der Baum.

Nach Wirklichkeiten greift die Hand.

Und doch ist mir´s, ich wär ´im Traum.

Ich selber bleib mir unbekannt.

Ich wollte es mit Namen nennen,

grub meinen Wortschatz um und um.

Am Ende kann ich nur bekennen:

Ich bleibe ehrfurchtsvoll und stumm.

Wer so fühlt, fühlt freireligiös.

Damit ist der Religionsbegriff der Freireligiösen zwar nicht hinlänglich definiert, jedoch zumindest gefühlsmäßig beschrieben.

 

 

Religion ist das von Ehrfurcht und Vertrauen

getragene Verhältnis zum Dasein und das daraus

entspringende Verantwortungsbewusstsein.

 



Freireligiöse „Theologie“

Lothar Geis

Es bleibt festzustellen, dass Freireligiöse zwar nicht an Gott als Person glauben können, jedoch bereit sind, anstelle von Gott das „Eine in allem“, das Ewige“ oder das „Göttliche“ oder sonstige ähnliche Begrifflichkeiten  zu setzen.

Damit wird ein deutlicher Unterschied zwischen Freier Religion und Monotheismus deutlich. Er  besteht darin, dass Freie Religion den Glauben an einen persönlichen Gott
ablehnt. Der freireligiöse Standpunkt ist ebenso wie der gegensätzliche Standpunkt der monotheistischen Religionen eine bloße Glaubensvorstellung. Beide  Anschauungen können nur geglaubt, jedoch nicht bewiesen werden.

Die Ablehnung des Glaubens an einen persönlichen Gott ist nichts Neues. Vor allem unter den Philosophen gab es viele, die einem solchen Glauben nicht folgen konnten. Schon Goethe, der sich selbst bewusst als einen dezidierten Nichtchristen bezeichnete, dichtete:

„Was soll mir Euer Hohn und Spott
Über das All und Eine?
Der Professor ist eine Person,
Gott ist keine!“

Die Freireligiösen lehnten die christliche Gottesvorstellung schon im neunzehnten Jahrhundert ab.
Wie schon erläutert, erschien ihnen die dogmatische (unhinterfragbare) christliche Lehre, wonach Gott allwissend, allgegenwärtig und allmächtig sei, zu widersprüchlich.

Hinzu kamen Zweifel an der christlichen Ethik angesichts der Drohungen gegenüber jenen, die dem christlichen Verhaltenskodex zuwiderhandeln.
Wie kann überhaupt ein allwissender Gott enttäuscht sein über das Verhalten von Menschen? Wie kann er sich über den „Sündenfall im Paradies“ ereifern oder die Menschen wegen ihres „Fehlverhaltens“ mit einer „Sintflut (Sündflut)“ bestrafen, wenn er doch aufgrund seiner Allwissenheit um die Entwicklung der Menschheit im Voraus wusste?

Ein freireligiöser Gottesbegriff fußt auf anderen Grundlagen.

Zuerst einmal: Viele Freireligiösen scheuen sich vor einer Beschäftigung mit den Eigenschaften christlicher Gottesvorstellung aus Angst, in Verdacht zu kommen, sie glaubten an einen solchen Gott.
Dennoch gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Christen und Freireligiösen. Genau wie beim christlichen Monotheismus sehen viele Freireligiöse das die Welt beherrschende Prinzip als eine Einheit. Diese Einheit sehen sie in der Vielheit des Existierenden wirken.
Eine solche Ansicht ist wiederum eine reine Glaubensansicht. Und Glauben ist nicht nur ein Nicht-wissen, sondern auch ein Für-wahr-halten. So gesehen sind auch Freireligiöse Gläubige.

Der nichtpersönliche Gottesbegriff der Freireligiösen ist allerdings nicht geeignet, mit Gebeten oder Fürbitten angerufen oder angefleht zu werden.

Von einem lediglich zum religiösen Begriff reduzierten Gott lassen sich auch keine Wunder und damit keine kurzfristigen Außerkraftsetzungen der Naturgesetze erwarten.

Der Glaube an Wunder widerspricht dem modernen Weltbild. Zudem spielen sich alle  Wundergeschichten sowieso nur in einem engen Wirkrahmen ab, denn wer hat schon von einem Wunder gehört, wo z. B. einem Buckligen der Buckel abhanden gekommen wäre, oder bei dem einem Amputierten die fehlenden Gliedmaßen nachgewachsen seien?

Doch zurück zum Gottesbegriff, mit dem man sich notgedrungen gründlich auseinandersetzen muss, um zu einer sicheren eigenen religiösen Einschätzung zu gelangen.

Die alternative Bezeichnung, wie zum Beispiel „das Ewige“, ist durchaus im Glauben verankert. Wer wie Goethe glaubt,

„Wohl ist alles in der Natur Wechsel,

aber hinter dem Wechsel ruht ein Ewiges.“

der besitzt eine freireligiöse Auffassung.

Dieses  „Ewige“ erschließt sich uns Menschen noch auf andere Weise, nämlich aus der Beobachtung der Natur. Die Natur erscheint uns über die Erkenntnis unseres  (von derselben Natur geschaffenen) Gehirns als geordnet. 

Da, wo Ordnung ist, - und die Natur erweist sich als geordnet -, da ist auch Sinn. Wo Sinn ist, entsteht Sinnvolles. Das Wesen der Welt erscheint uns als sinnvoll.
Wäre das Wesen der Welt nur von Zufälligkeiten geprägt, könnte daraus nichts Sinnvolles entstehen.

Wir Freireligiösen könnten also zur Rechtfertigung unserer Religiosität sagen: „Wir glauben an eine sinnvoll wirkende Schöpferkraft“.

Das kommt, jeweils unterschiedlich formuliert, in vielen Verlautbarungen der Freireligiösen zum Ausdruck.

Ein Zitat aus „Die Freireligiöse Bewegung – Wesen und Auftrag“ (1959) lautet:

„Wir nennen uns religiös, weil das Leben uns etwas Heiliges ist. Niemand kennt den letzten Urgrund der Welt; er bleibt ewiges Geheimnis dem fragenden Menschen. Religion ist Ehrfurcht vor diesem geheimen Quell des Lebens; wir stehen ehrfürchtig vor der  ewigen Schöpferkraft, die in allem Dasein sichtbar ist“.

Im gleichen Jahr schreibt Fritz Hermann:

„Ich weiß, dass überall im endlichen Bereich das Unendliche west und wirkt und alle Endlichkeit von ihm umgeben und durchflutet ist. Ich weiß, dass alles Sein dieser Unendlichkeit bedarf, um zu sein und zu werden, und dass die Vielfalt der Formen im Unendlichen ihr großes Gemeinsames hat“.

Etwa um 1965 ist in einer hektographierten Veröffent-lichung der Freireligiösen Landesgemeinde Pfalz zu
lesen:

„In unserer Landesverfassung steht: Wir verstehen unter Religion den Glauben an eine der Welt innewohnende, in ihr sich auswirkende geistige Kraft und damit an den Sinn und Zweck des Lebens.
Diese Kraft können wir auch mit dem Wort „Gott“ benennen. Bild, Begriff und Vorstellung dessen, was man Gott nennt, überlassen wir aber dem persönlichen Bedürfnis, Denken und Empfinden des Einzelnen“.

Und an anderem Ort:

„Wir glauben an ein Ewiges im All und im Menschen, das ist Geist und Kraft, Gesetz und Ordnung. An die Bestimmung des Menschen zur Vervollkommnung durch des Ewigen Geist und Kraft in ihm, an seine Befreiung aus Niedrigkeit und Schuld durch das innere Einswerden mit dem ewig Guten“.

Die Außenfassade der Frei-religiösen Gemeinde Offenbach ist geschmückt mit dem Schriftzug „Dem Ewigen“.

Die Freireligiöse Gemeinde Wiesbaden schreibt in einem Informationsblatt von 1977:

„Wir suchen den Weltgrund, die Allkraft, das Absolute – oder wie immer wir das nennen wollen, was wir als letzten Wesensgrund des Seins betrachten – nicht in einem außerweltlichen Prinzip oder gar in einem [persönlichen] Gott.
Wir glauben an eine natur- und geistdurchdringende Macht, die in der erfassbaren Welt sich offenbart und alles mit Leben erfüllt. Der Mensch ist Teil dieser Welt. Für uns sind Gott und Welt keine getrennten Begriffe wie beim Christentum, sondern bilden eine Einheit. Deshalb kennen wir auch keinen Gegensatz zwischen Leib und Seele, Natur und Mensch sowie Gott und Mensch“.

Bei diesen beispielhaft angeführten freireligiösen Verlaut-barungen handelt es sich um solche, die den Gottesbegriff auf eine andere, als die christliche, Weise erklären.
Letztlich handelt es sich dabei um Theologie oder um die Lehre von Gott. Es gibt also eine freireligiöse Theologie; diese ist anders als die christliche.

Auch wenn eingangs die Kritik am christlichen Gottesbegriff schon angesprochen worden ist, sei sie hier noch einmal vertieft.

Der christliche Gott hat Eigenschaften, die Freireligiöse nicht glauben können. Der Christengott ist allmächtig, hat demnach die Macht, alles zu tun, zu veranlassen und zu verhindern. Er ist allwissend, weiß also, was gerade ist,
aber auch was jemals war und zukünftig sein wird. Und das gilt für jeden Winkel der Welt. Darüber hinaus ist er allgegenwärtig und damit überall zugegen. Seine Allgütigkeit macht ihn zum „lieben Gott“. Weiterhin sagt man ihm Personalität zu. Er ist damit nicht etwa nur Prinzip, sondern Person. Außerdem ist er transzendent (= übernatürlich), denn er wirkt aus einer Sphäre außerhalb des Diesseits auf alles, was er geschaffen hat, ein. Und diese Wirkung ist der menschlichen Erkenntnis schlechthin nicht zugänglich.

An dieser Stelle soll die Kritik nicht weiter vertieft werden, es bleibt lediglich lapidar festzustellen: An einen solchen Gott können Freireligiöse nicht glauben.

Dem Christentum war es lange Zeit möglich, jede Kritik an ihrer Gotteslehre zu unterdrücken. Erst mit zunehmenden Erkenntnissen in Technik, Wissenschaft und Kultur kamen immer mehr Widersprüche zum scheinbar alles erklärenden christlichen Weltbild zutage.

Im siebzehnten Jahrhundert hatte eine andere Gottesauffassung für eine nachhaltige Erschütterung der christlichen Theologie gesorgt. Der Philosoph Baruch Spinoza, spanisch-jüdischer Herkunft, machte den Pantheismus, den Allgottglauben, zu einem philosophischen System. Er knüpfte damit an die monistischen Lehren vieler Naturvölker an sowie an den Pantheismus der Inder, genauer gesagt der Brahmanen (= Kaste des Priestertums).

Im Pantheismus wird alles als eine Einheit betrachtet. Gott und die Welt sind ein und dasselbe. Gott ist die einzige Substanz auf der Welt und alles Existierende sind Erscheinungen (Modi) von Gott. Damit wird der Unterschied von Gott und Welt aufgehoben. Weil Gott in allen Dingen der Welt existiert, sind alle Dinge auch göttlich.

Das war für die Kirche, aber auch für die jüdische Gemeinde, der Spinoza angehörte, eine ungeheure Blasphemie. Spinoza wurde wegen seiner Lehre unter Verlesung eines Fluches aus der jüdischen Gemeinschaft auf ewig ausgestoßen.

Nicht nur die Aufhebung des Unterschieds zwischen Welt und Gott warf man der Philosophie des Pantheismus vor, sondern auch, dass ein in der Welt vorhandener und wirkender immanenter Gott ja eine ihm von der etablierten Theologie nachgesagten Eigenschaft, nämlich die Transzendenz [Übernatürlichkeit], verliert. Der Gott des Christentums soll nach christlicher Lehre als transzendentes Wesen von außen auf die Welt einwirken. Er sei in seinem Wesen völlig anders als die Welt, so die Theologen. Durch die Auffassung des Pantheismus verliert Gott im Übrigen auch seine Personalität, denn ein Wesen, das in allem vorhanden ist, kann kein Individuum sein.

Arthur Schopenhauer, der deutsche Philosoph des neunzehnten Jahrhunderts, hat sehr treffend die Schwierigkeit des Pantheismus beschrieben. Pantheismus, so analysierte er treffend, sei Atheismus (= Gottesleugnung), Monismus
(= All-Einheitslehre) und Theismus (= Gotteslehre) in einem. Und diese drei Dinge sind nicht mit einander zu vereinbaren.

Monistisch ist der Pantheismus, weil Gott und Natur als Einheit aufgefasst werden. Außerhalb der Natur gibt es nichts mehr, also auch kein Jenseits.

Aber der Pantheismus ist auch ein Theismus, genauer gesagt sogar ein Monotheismus, weil eben alles göttlich ist bzw. als Erscheinung Gottes anzusehen ist.

Denkt man die Sache mit dem Pantheismus weiter, so ergeben sich daraus drei Grundformen, die mit der Menge Gott im Verhältnis zur Welt zu tun haben:

Entweder ist   1.) Gott in der Welt vorhanden,

            oder    2.) die Welt existiert in Gott,

            oder    3.) Gott und Welt sind eines und damit

    identisch. 

Der erste Standpunkt, wonach Gott in der Welt vorhanden ist, wird als En-Pantheismus bezeichnet.
Er bedeutet: Nicht alles, was existiert, ist göttlich. In den Dingen ist die Göttlichkeit unterschiedlich verteilt. Ein alter indischer Spruch drückt das wie folgt aus:

„Gott schläft im Stein,

atmet in der Pflanze,

träumt im Tier

und erwacht im Mensch.“

Gott kommt demnach dosiert in der Welt vor. Alles ist von ihm erfüllt, jedoch nicht identisch mit ihm.

Der zweite Standpunkt, wonach die Welt in Gott ruht, wird Pan-Entheismus genannt. Alles ist in Gott, ist in ihm geborgen. Alles Existierende befindet sich damit in göttlicher Umgebung; das Göttliche ist größer als die Welt.

Diese Lehre hatte im mittelalterlichen Deutschland als Mystik eine bestimmte Bedeutung gewonnen. Meister Eckhart zum Beispiel war einer dieser Mystiker. Die Mystiker versuchten sich durch geistige Versenkung in einen tranceähnlichen Zustand zu versetzen, bis sie glaubten, sich mit dem die Welt durchdringenden Göttlichen im Gleichklang zu befinden. Sie vermeinten dann, das Göttliche in sich zu spüren und schöpften daraus die Kraft und die Sicherheit, das Richtige im Leben zu tun. Sie fühlten sich als Handelnde der Schöpferkraft. Die Mystik ist damit auch eine wichtige historische Quelle freier Religiosität.

Wer mehr auf seine innere Stimme hört als auf die in Bibel und Kirchendogmen festgeschriebenen Lehren, der galt im Mittelalter als Ketzer. Als Eckhart im Jahr 1382 stirbt, entgeht er dadurch einem Verfahren wegen Ketzerei, denn bereits ein Jahr nach seinem Tode werden von Rom 28 seiner Lehrsätze als ketzerisch verurteilt.

Der dritte Standpunkt, wonach Gott und Welt ein und dasselbe sind, nennt man folgerichtig Pantheismus, will beide Größen, also Gott und Welt gleich gesetzt werden. „Pan“ bedeutet „alles“ und „Theismus“ bezeichnet den Gottesglauben. Die deutsche Bezeichnung für Pantheismus wäre also „Allgottglaube“.

Er wird auch als immanenter-transzendenter Pantheismus bezeichnet, weil Gott, oder besser gesagt, das Göttliche, in allem ist oder durch alles wirkt (nach Auffassung der Gläubigen).

Im alten Indien wurde dies in Form einer Geschichte erklärt:

Der alte weise Meister informiert eines Tages seinen treuen Schüler, dass er ihm jetzt das letzte Geheimnis offenbaren werde. Er lässt sich von diesem über den sehr beschwerlichen Weg auf einen in der Nähe gelegenen hohen Berg führen.
Oben angekommen, stellt sich der Meister an eine Stelle, wo der Blick frei ist für das herrliche Panorama der unter
ihnen liegenden Landschaft.
Zusammen genießen beide die erhebende Aussicht, bis schließlich der Meister vortritt, den Arm hebt und mit
einer den Ausblick umfassenden Handbewegung sagt: „Tat vam asi“ - „Das bist Du“!

Was er damit ausdrücken will, ist Folgendes: „Alles, was Du siehst, entstammt einem gemeinsamen (göttlichen) Ursprung, genau wie Du. Und in Dir als Mensch wird das Göttliche sich über deinen Geist seiner selbst bewusst“.

Schon in der Antike gab es solche Gedanken. Der Grieche Plotin hatte bereits eine pantheistische Philosophie formuliert. Noch heute verwenden wir in unserem Alltag ein Wort, in dem die pantheistische Denkweise erkennbar ist.
Es handelt sich um das Wort „Natur“.

Es ist lateinischen Ursprungs. Darin sind enthalten „natum“ für geboren und „ur“ für das, wo unser kausales Denken endet. „natum ex ura“ heißt soviel, wie „geboren aus dem Ur“, also aus dem Letzten und Unerforschlichen.

Über das Unerforschliche sagt Goethe:

„Das höchste Glück des denkenden Menschen ist es,

das Erforschliche erforscht zu haben

und das Unerforschliche ruhig zu verehren“.

Die Philosophie nimmt beim immanent-transzendenten Pantheismus noch eine weitere Unterscheidung vor.
Es wird unterschieden zwischen einer pan-statischen und einer pan-dynamischen Form dieser Auffassung.
Sie war notwendig geworden, um zu zeigen, dass die Auffassung von Baruch Spinoza, der in seinem Pantheismus die Gott-Welt-Einheit mit „Deus sive natura“ (Gott = Natur) gekennzeichnet hatte, angesichts des Fortschritts der
Naturwissenschaften nicht mehr zu halten war. Für Spinoza war die Welt und die Natur und das All etwas Fertiges,
etwas Vollendetes.

Spätestens seit Charles Darwin war jedoch klar geworden, dass sich Lebewesen verändern, ja sogar aussterben können. Schon der Grieche Heraklit hatte in der Veränderung, im Wandel, das einzig Stetige der Welt erkannt.

Weil der Wandel Folge von konkurrierenden Kräften ist,
erscheint die pan-dynamische Form des Pantheismus als die modernere. Das Göttliche ringt demnach in der Welt um seine Entfaltung.

Wendet man darauf den schon zitierten altindischen Spruch an, würde die pan-dynamische Abwandlung heißen:

„Gott schläft als Stein,

atmet in der Pflanze,

träumt als Tier

und erwacht als Mensch.“

 

 

 

Zusammenfassende freireligiöse Bewertung

Umberto Eco folgend, ergibt sich, dass weder die Behauptung „Es gibt keinen Gott“, noch die Behauptung „Es gibt einen Gott“ zu beweisen sind.

Oder anders ausgedrückt: „Der Gläubige glaubt die Wahrheit zu kennen und der Ungläubige glaubt, dass er nicht glaubt.“

Die Freireligiösen wollen nicht an diesem Scheideweg stehen bleiben und sich auch nicht für einen dieser beiden Wege entscheiden. Sie gehen einen anderen Weg und
erklären das Wesen der Welt zu dem, was mit Goethe als das „Ewige“ oder „das Unerforschliche“ oder in religiöser Sprache als „das Göttliche“ bezeichnet wird.

Dass das Wesen der Welt  nicht personal aufzufassen  ist, darüber herrscht bei den Freireligiösen kein Zweifel. Mit diesem Glauben – als nichts anderes ist eine solche Haltung zu bezeichnen – fällt die Begründung der monotheis-tischen Glaubenslehren (Judentum, Christentum, Islam) in sich zusammen und wird gegenstandslos.

Wenn  Freireligiöse der monotheistischen Gottesauffassung der Weltreligionen nicht folgen können, dann bleibt als letzte „Schublade im Schrank der Glaubensrichtungen“ nur noch der Pantheismus, denn in die „Schubladen“ des Animismus (= Geister- bzw. Seelenglaube) und in die des Polytheismus (= Vielgötterglaube) passen sie schon gar nicht.   

Doch mit der Wahl diese letztverbleibenden „Schublade“ des Pantheismus (= Allgottglaube) entsteht eine große,
alles in Frage stellende geistige Bedrohung. Denn, egal, für welche der vorgestellten Pantheismusformen man sich entscheiden würde, es bliebe ein blinder Glaube ohne hinreichende Belege und Rechtfertigungskraft.  

Es kann deshalb nicht sein, dass Freireligiöse sich  einfach nur so auf En-Pantheismus, Pan-Entheismus oder den
immanent-transzendenten Pantheismus festlegen, denn
daraus würde letztlich nur eine Glaubenslehre entstehen, und die Freireligiösen würden zu einer pantheistischen
Kirche verkommen.

Schon Goethe war sich dieses Problems bewusst. Auch er lehnte es ab, sich für eine dieser Pantheismuslehren entscheiden zu müssen. Seine Antwort formulierte er in den „Zahmen Xenien‘“:

„Was wär´ ein Gott, der nur von außen stieße,

Im Kreis das All am Finger laufen ließe.

Ihm ziemt´s, die Welt im Innern zu bewegen,

Natur in sich, sich in Natur zu hegen,

So dass, was in ihm lebt und webt und ist,

Nie seine Kraft, nie seinen Geist vermisst.“

Die Formulierung Natur in sich steht für die Haltung des Pan-Entheismus und die Worte sich in Natur steht für Pantheismus im Allgemeinen. Das heißt: Goethe kennt den Unterschied genau; er lehnt es jedoch ab, sich zu entscheiden. Die Idee, dass in der Welt etwas Richtungsweisendes wirkt, bewertet er höher, als einer Lehrmeinung zu folgen.

In dem eingangs schon zitierten Zweizeiler spricht er deshalb deutlich aus, was er vom Disputieren über die verschiedenen Formen des Pantheismus hält: „ . . . Der Professor ist eine Person/Gott ist keine.“ 

Diese Haltung Goethes kennzeichnet auch heute noch die Position der Freireligiösen.  
Die Folgerungen sind:

·         Es lässt sich durchaus sagen, dass Freireligiöse, vor die Wahl zwischen Areligiosität und Religiosität gestellt, sich für Religiosität entscheiden.

·         Religiosität erscheint den Freireligiösen unverzichtbar. Sie muss sich aber in Übereinstimmung mit dem gegenwärtigen Weltbild befinden.

·         Anstelle eines materialistischen Atheismus bevorzugen viele Freireligiöse die Annahme eines in der Welt sich auswirkenden Ewigen (siehe Formulierungen verschiedener Freireligiöser Gemeinschaften auf Seite 62 – 64).

·         Daraus ergibt sich die Frage, ob das Ewige als Gott bezeichnet werden kann. Freireligiöse Antworten reichen dabei von „nein“ (überwiegend) bis zur maximal möglichen Bezeichnung „das Göttliche“.  

·         Pantheismus ist, wie Schopenhauer schon treffend bemerkte, sowohl ein Atheismus wie auch ein Monotheismus. Die freireligiöse Antwort darauf lautet, dass viele Freireligiöse pantheistisch orientiert sind. Auch die Umbenennung einer pantheistischen Haltung in „religiöser Monismus“ stellt keine Lösung dar, weil es sich dabei um dasselbe handelt.

Der Umstand, dass einerseits eine freireligiöse Auffassung scheinbar den Weg zum Pantheismus eröffnet, andererseits dieser schlussendlich in eine Denkrichtung mit dogmatischen Zügen hinführt, ist ein großes, unlösbares Problem. Dieser Widerspruch bedeutet, dass - bei allen pantheistischen Tendenzen - Freireligiöse keine Pantheisten sein können.

Folgende Geschichte verdeutlicht das:

In der freireligiösen Zeitschrift „Es werde Licht“ war zu lesen:
„… Ein mir befreundeter Arzt, der Dr. Bulova in Prag, wollte mich bestimmen, mich in den Dienst der Verkündigung und der Organisation des von ihm vertretenen Monismus zu stellen. Er hielt es für nötig, dass die vielen Millionen Menschen, die mit dem alten Glauben zerfallen wären … das
religiöse Fazit aus den Erkenntnissen unserer Zeit zögen … und … sich zu einem gemeinsamen religiösen Bekenntnis einigten. Seine Bekenntnisformel begann mit den Worten:

„Wir glauben an einen lebendigen Gott, dessen Körper das Weltall ist, dessen Wille uns nur in dem sittlichen Gefühl und in der unabänderlichen Ordnung  zwischen Ursache und Wirkung erforschlich ist.“ 

Bulova schickte dies Bekenntnis damals an Ernst Haeckel in Jena und bat um Rückäußerung; Haeckel war mit der Formulierung des Monismus einverstanden.

„Ich lehnte es ab, als Prediger eines bestimmten Glaubens aufzutreten, weil ich damals wie heute als den einzig richtigen Weg des religiösen Fortschritts den Weg erkannte, den unsere freireligiösen Gemeinden vor mehr als 50 Jahren beschritten haben, den Weg der freien Selbstbestimmung (gemäß der eigenen fortschreitenden Erkenntnis).“

Das schrieb Georg Welker, damals Prediger der Freireligiösen Gemeinde Wiesbaden im August 1913. Er hat noch immer Recht; sein Standpunkt gilt unverändert.

 

Gott schläft als Stein,

atmet in der Pflanze,

träumt als Tier

und erwacht als Mensch.

 



 

 

Häufig gestellte Fragen

an Freireligiöse

 



Seid ihr auch eine Kirche?

Im Sinne einer christlichen Kirche (Kirche = Leib Christi) sind wir Freireligiösen keine Kirche.

Wir sind den Kirchen jedoch rechtlich gleichgestellt.

Geleitet werden die freireligiösen Gemeinden durch ehrenamtliche Männer und Frauen, die den Gemeinderat stellen. Es gibt Pfarrer und Pfarrerinnen, die in einigen Gemeinden auch Sprecher/innen oder Prediger/innen genannt werden.

Habt ihr Kirchen?

Kirchen im Sinne eines Gotteshauses haben wir nicht. Aber wir haben Versammlungsräume, Gemeindesäle und Feierhallen. Vielen Freireligiösen ist die „freie Natur“ ihre eigentliche Kirche.

Seid ihr eine Sekte?

Nein, wir sind als „Körperschaften des öffentlichen Rechts“ staatlich anerkannte Religionsgemeinschaften. Wenn Sekten Religionen sind, die den Menschen ihren Verstand austreiben wollen, so sind freireligiöse Gemeinden genau das Gegenteil davon.

Aus welcher geistigen Richtung seid ihr entstanden?

Im 19. Jahrhundert sammelten sich freiheitsliebende protestantische “Lichtfreunde“ unter dem Spruch „Frei sei der Geist und ohne Zwang der Glaube“. Dazu kamen kritische und Rom-feindliche Katholiken, Männer und Frauen aus allen Volksschichten. Ihnen schlossen sich die Vorkämpfer für politische und bürgerliche Freiheiten sowie für ein geeintes und demokratisches Deutschland an; sie alle erstrebten eine von Aberglauben, Furcht und Dogmen befreite Religiosität.

Glaubt ihr an Gott?

Es gibt unter den Freireligiösen Agnostiker, Atheisten und Pantheisten; den personalen Gottesbegriff lehnen nahezu alle ab. Versteht man aber unter Gott die Kraft, die in allem wirkt, gar das umfassende Leben selber, so lautet die Antwort bei den meisten Freireligiösen „ja“. Ein bestimmter, klar zu definierender Gottesglaube ist für Freireligiöse nicht verbindlich.

Habt ihr einen Gottesdienst?

Wir haben Feierstunden, die zur Erbauung, zur Information oder zur Stärkung der Religiosität dienen.

Was ist für euch Religion?

Religion ist ein bestimmtes, persönliches Verhalten zum Leben und zu den Menschen. Religion hat mit Sinngebung, Selbstwerdung und Reifung zu tun. Religion ist für uns nicht festgelegte Forderung, etwas Bestimmtes zu glauben, sondern Ehrfurcht, Erstaunen und Einssein. Sie hat auch zu tun mit der Fähigkeit des Menschen, über sich selbst hinaus zu denken, zu fühlen und zu handeln. Freie Religion ist nicht an eine bestimmte Lehre oder Offenbarung, an heilige Bücher oder Religionsstifter gebunden, sondern ereignet sich im einzelnen Menschen selbst.

Warum „freie“ Religion?

Wir sind frei in der Religion, aber nicht frei von Religion. Religiosität ist eine Grundbestimmung der Menschen, die sich in unendlich vielen Formen äußert. Frei sind wir deshalb, weil wir nicht dogmatisch gebunden sind, sondern auch anderen Einsichten und Weisheiten offen gegenüberstehen.

Was bedeutet euch Jesus?

Jesus ist neben Mohammed, Buddha, Sokrates usw. einer unter vielen maßgebenden Menschen, die unsere Kultur entscheidend beeinflussten. Er nimmt in unserem Denken keinen besonderen Platz ein. Einige Freireligiöse zweifeln an seiner geschichtlichen Existenz.

Was bedeutet euch die Bibel?

Sie ist ein interessantes literarisches Werk voller Legenden und Sagen. Sie enthält viele Lebensweisheiten und Lehren, die unsere Kultur entscheidend prägten. Als religiöses Werk stellen wir sie anderen heiligen Schriften gleich. Sie ist für uns kein besonders Buch.

Habt ihr auch so etwas wie die „Zehn Gebote“, nach denen Ihr euer Tun ausrichtet?

Wir glauben, dass das Gute um seiner selbst willen gut ist, und dass es nicht darauf ankommt, ob ein Gott etwas als „gut“ festsetzt. Jeder Mensch ist seinem Gewissen verantwortlich und der Gemeinschaft verpflichtet.

Was sind eure höchsten Werte?

Menschlichkeit, Duldsamkeit, Naturverbundenheit sowie alle weiteren Werte, die ein friedliches Miteinander unter den Menschen sowie ein Leben im Einklang mit der Natur ermöglichen.

Gibt es bei euch Sünde?

Das freireligiöse Menschenbild ist durch Entscheidungs- und Wahlfreiheit des Menschen gekennzeichnet. Er ist für sein Tun (auch für sein Nicht-Tun) selbst verantwortlich. Wir können uns bemühen, eine begangene Schuld wieder gut zu machen.

Gibt es bei euch eine Taufe?

Ja, im Sinne einer Lebens- oder Namensweihe, wobei das Kind in die Gemeinschaft aufgenommen wird. Taufe im christlichen Sinne als Reinigung von der Erbsünde gibt es nicht.

Was ist die Jugendweihe?

Die Freireligiöse Jugendweihe ist die feierliche Begleitung des Kindes beim Schritt zum Erwachsenwerden und die Aufnahme des Jugendlichen als selbstständiges Mitglied der Gemeinde.

 

 

Glaubt ihr an ein Leben nach dem Tod?

In seinen Werken, Taten und in seiner Familie lebt der Mensch weiter. Die jeweilige Vorstellung, was genau geschieht, muss jedem Einzelnen überlassen bleiben. An eine „Auferstehung des Fleisches“ im christlichen Sinn glaubt kein Freireligiöser. Die Erde wird nicht als eine Durchgangsstation auf dem Weg in ein besseres Leben nach dem Tod begriffen, sondern als Heimat, die uns Geborgenheit geben kann.

Gibt es bei euch Trauerfeiern?

Ja, sie sind in erster Linie ein Dienst für die Hinterbliebenen. In der Trauerfeier wird Trost gespendet und gezeigt, dass Leben und Tod eine Einheit im unendlichen Kreislauf des Geschehens in der Natur sind.

Welche Feste feiert ihr?

Die Feste, die der Jahreslauf vorgibt; Weihnachten als Wintersonnenwende und die Sommersonnenwende sind hierbei die Eckpfeiler. Weiterhin gehören die Feste dazu, die den Menschen auf seinem Lebensweg begleiten.

Welches Verhältnis habt ihr zu anderen Religionen?

Wichtig ist für uns das friedliche Miteinander aller Religionen, weil die verschiedenen Religionen uns die unterschiedlichen Wege der Menschen zu ihrem Ziel darstellen. Wir missionieren nicht und wollen nicht überreden; wer sich bei uns wiederfindet, ist jederzeit willkommen.

Betet ihr auch?

Freireligiöse können auch beten, wenn damit die Besinnung auf das eigene Selbst gemeint ist.
Sie beten eher nicht, wenn damit das christliche Gebet im Sinne der magischen Beeinflussung der Gottheit durch Bitten, Flehen, Schmeicheln oder Verhandeln gemeint ist.

Woran glaubt ihr?

Freireligiöse haben kein Glaubensbekenntnis. Die meisten Freireligiösen glauben jedoch,

·         dass der Mensch ein Teil der Natur ist,

·         dass das Leben des Menschen einmalig ist,

·         dass der Mensch lebt, um glücklich zu sein,

·         dass der Mensch in sich die Fähigkeit hat, gut oder böse zu sein,

·         dass der Mensch das Recht hat, frei zu sein.

(entnommen aus dem Buch von Elke Gensler: „Freie Religion für Einsteiger“ [Erscheinungsjahr: 2000]


 

 

 

 

 

Freireligiöse und das Christentum

 

 

Die Frage nach dem Verhältnis zwischen  Freireligiösen und Christen ist einfach zu beantworten.

Beide religiöse Standpunkte sind nicht mit einander vereinbar; oder unmissverständlich ausgedrückt:

Freireligiöse sind keine Christen.

Für Freireligiöse ist die christliche Lehre nicht  nachvollziehbar, nicht glaubbar. 

Freireligiöse können weder an die christliche Lehre von der Auferstehung der Gläubigen nach ihrem Tode, noch an die Blutopfer-Erlösung oder die Gottes-Sohnschaft von Jesus Christus noch an
geschehene Wunder und vieles andere mehr nicht
glauben.

Der Unterschied zwischen der freireligiösen und der Christlichen Auffassung wird vielleicht durch folgende Darstellung deutlich.


 


Freie Religion

Elke Gensler

Freireligiös ist im weitesten Sinne eine Haltung, die sich zur religiösen Bindung des Menschen bekennt, diese aber „frei“, nach individuellem Gewissensentscheid wählen und auch von dogmatischem Zwang und institutioneller Bevormundung frei leben möchte. Den Freireligiösen geht es um eine vernunftorientierte Religion, frei von Zwang und Dogmen, in der sich Glaube und Wissen nicht widersprechen. Sie stehen damit in der Tradition der europäischen Aufklärung.

Menschen mit dieser „aufgeklärten“ Haltung schlossen sich im 19. Jahrhundert zusammen und begründeten die Freireligiöse Bewegung. Ihre Wurzeln liegen in den reformierten Kreisen der Katholischen Kirche, den rationalistischen Kreisen der Protestantischen Kirche und im Umfeld der Revolution von 1848.

Folgende Grundsätze kennzeichnen die Freireligiöse Bewegung:

1.      Uneingeschränkter Gebrauch der Vernunft in der Religion statt Berufung auf äußere Autorität oder Überlieferung.

2.      Völlige geistige Freiheit in der Religion statt Bindung an Dogmen und Bekenntnisse.

3.      Großzügige Duldung verschiedener

religiöser Ansichten und Gebräuche

statt Beharren auf Einheitlichkeit in
Lehre, Brauchtum und Verwaltung.

Freireligiös denkt und handelt, wer sich die Einsicht offen hält, dass der Mensch ein unlösbarer Teil des kosmisch-evolutionären Ganzen ist, an dem er durch seine Bewusstheit und sein Wertempfinden schöpferisch teilzunehmen vermag.

Freie Religion hat es zu tun mit dem Verlangen, sich mit dem Ganzen von Welt und Dasein eins zu fühlen und dem menschlichen Leben wie dem Leben überhaupt einen Sinn zu geben. Und sie hat zu tun mit der Fähigkeit des Menschen, über sich selbst hinaus zu denken, zu fühlen und zu handeln.

Freie Religion ist nicht mehr an eine bestimmte Lehre oder Offenbarung, an heilige Bücher oder Religionsstifter gebunden, sondern ereignet sich im Einzelnen selbst als das „Innerlichste, was sich denken lässt“ (Arthur Drews).

In Freireligiösen Gemeinden begegnen sich Menschen, die Sinnbezüge in der ganzen Weite menschlichen Lebens suchen. Die welt- und lebensbejahende Haltung der Freireligiösen betont das Hier und Jetzt, nimmt es an und gestaltet es, ohne „ewige Glückseligkeit“ in einem jenseitigen Leben nach dem Tode zu erwarten. Freireligiöse suchen Bewährung in diesem endlichen Leben. *

 Elke Gensler: „Im Unterschied“, 1997, Freireligiöse Gemeinde Mainz


 

 

 

Christliche Lehre

Elke Gensler

Sie bezeugt und vermittelt, was mit Christentum und christlichem Glauben gemeint ist. Der zentrale Inhalt des christlichen Glaubens ist an das apostolische Glaubensbekenntnis gebunden. Es beginnt mit den Worten: „Ich glaube an den einen Gott, Schöpfer des Himmels und der Erde, aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge und an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn“.

Die ursprüngliche Form des Christentums, der Katholizismus, stellt sich noch immer weitgehend geschlossen dar. Der Papst als länderübergreifende Macht sorgt für einheitliche Regelungen in wichtigen Glaubensfragen.

Ein ähnlich starkes Oberhaupt fehlt der zweiten jüngeren Hauptströmung, dem Protestantismus. Knapp 500 Jahre ist er alt, und da es keinen starken Papa gibt (nichts anderes bedeutet Papst), haben sich die Protestanten immer wieder entzweit: in Lutheraner, Reformierte, Baptisten, Mennoniten, Methodisten und Freie Evangelische Gemeinden. Allen Protestanten gemeinsam ist eine „Gnadenlehre“. Der Mensch sei schuldig, heißt es, allein durch seinen Glauben an Jesus Christus könne er erlöst werden. Die direkte Befreiung der Sünden durch einen Priester (wie beim Katholizismus: erst beichten, dann büßen), gibt es bei den Protestanten nicht.

Namensgeber der christlichen Religion ist ihr Stifter Jesus Christus selbst, für die Christen der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist, um die Menschheit zu erlösen. Durch seinen Tod am Kreuz hat Gott offenbart, dass er sich durch Christus den Menschen gleichgestellt hat, indem er Mensch wurde bis zum Tod.

Zentrale Inhalte christlichen Glaubens bestehen in der Verkündung Jesu, wie sie im Neuen Testament niedergelegt sind.

Für die Inhalte christlichen Glaubens gilt auch das Alte Testament, das Buch, das vom Handeln Gottes berichtet und das Gesetz Gottes enthält. Vom Alten Testament übernimmt das Christentum den Gottesbegriff: Gott ist nicht nur Schöpfer und Erhalter der Welt, sondern er greift auch in die Geschichte ein.

Christentum ist ein Reflexionsbegriff. Die Spaltung der westlichen Kirche in der Reformation des 16. Jahrhunderts provozierte die Frage, was die verschiedenen christlichen Konfessionen trotz aller Unterschiede miteinander verbindet, und worin das Gemeinsame der christlich geprägten Kultur des Abendlandes liegt. *

 *  Elke Gensler: „Im Unterschied“, 1997, Freireligiöse Gemeinde  Mainz


 

 

 



Bräuche und Feiern

Elke Gensler

In den Gemeinden haben sich bestimmte Vorgehensweisen bei Amts- oder sonstigen Handlungen herausgebildet. Aber die sind nicht vorgeschrieben, und um es vorweg zu sagen: Genauso wenig wie es bei den Freireligiösen feste Glaubenssätze oder detailliert vorgeschriebene Glaubensvorstellungen gibt, existieren feste freireligiöse Bräuche.

Rituale gibt es schon gar nicht.

Von den meisten Religionsgemeinschaften ist bekannt, dass sie „Gottesdienste“ abhalten. Bei den Freireligiösen sind Gottesdienste nicht möglich, denn sie glauben nicht an die Existenz eines persönlichen Gottes oder einer Göttin. Sie verwenden zwar den Begriff des „Göttlichen“, verstehen darunter die in allen Dingen und durch alle Dinge wirkende ordnende Macht, die in freireligiösen Kreisen auch unter der Bezeichnung „das Ewige“ religiöse Beachtung genießt.

Genaugenommen müssten die religiösen Feiern statt Gottesdienst  als „Ideendienst“ bezeichnet werden, denn es geht bei den Freireligiösen Feierstunden um die religiösen oder philosophischen Ideen der Menschheit, und wie man einem modernen Weltbild anhängen kann und sich dennoch religiös fühlen kann.

Natürlich haben sich in den Freireligiösen Gemeinden verschiedene Formen von Feiern entwickelt, und sie werden deshalb örtlich unterschiedlich praktiziert.

Auf bestimmte feierliche Handlungen möchte man auch in Freireligiösen Gemeinden nicht verzichten.

Das gilt wie in allen religiösen Gemeinschaften für die persönlichen Ereignisse und Anlässe der Gemeindeglieder. Geburt (Taufe), Aufnahme der religionsmündigen Kinder in die Gemeinde, Hochzeit und auch Tod sind Anlässe, die auch in Freireligiösen Gemeinden in feierlichem Rahmen eine Würdigung finden. Der besondere Charakter einer freien Religion ergibt sich daraus, dass die Hintergründe andere sind als in den christlichen Konfessionen.

Die Unterschiede werden im Folgenden deutlich.


 

Freie Religion                                                Christliche Lehre

Kult

Feierstunden und Kulthandlungen dienen der Erhebung der Gedanken über den Alltag hinaus sowie der Besinnung und Vertiefung freireligiösen Glaubens und der Stärkung ethischen Wertebewusstseins.

Das Gemeindeleben vollzieht sich im Wesentlichen in Feierstunden, Amtshandlungen zu den Festen des Lebens (Taufe, Jugendweihe, Hochzeit, Trauerfeier), Festen oder Gedenktagen im Jahreszyklus sowie in Form von Religionsunterricht und Gesprächskreisen.

Öffentliche und gemeinsame Handlung, mit der sich der Mensch mit Gott in Beziehung setzt.

Im Gottesdienst stellt sich die Kirche lehrend, erbauend und feiernd als religiöse Gemeinschaft dar.


Elke Gensler. „Im Unterschied“, 1997, Freireligiöse Gemeinde  Mainz

 

Feierstunden

Die Feierstunden werden von dem/der Pfarrer/in unter einem bestimmten Thema gestaltet. Im Zentrum steht die Auseinandersetzung mit Grundfragen freireligiösen Lebens und Glaubens, der Bezug zum Mitmenschen, zur Welt. Von diesem Zentrum aus werden Themen von gesellschaftlicher, kultureller, wissenschaftlicher oder historischer Aktualität aufgegriffen. Dabei handelt es sich weder um einen „Vortrag“ noch um eine „Predigt“ – die Aussprachen sollten sowohl der religiösen Vertiefung dienen als auch Anstoß sein, zum eigenes Nachdenken sein.

Gleichsam beinhalten freireligiöse Feiersunden feierliche Momente, die über den Alltag hinausführen wollen. Sie sind umrahmt von Musikdarbietungen und werden in der Regel ein- und ausgeleitet durch Worte der Besinnung.

Der feierliche Charakter wird äußerlich durch die Flamme, dem Symbol des Lichts und der Erkenntnis, angezeigt.


Feiern im Lebenslauf

Das freireligiöse Symbol des Sonnenkreuzes markiert an
seinen vier Schnittpunkten die Wendepunkte des menschlichen Lebensganges. Es sind dies

  1. die Lebensweihe oder Taufe,
  2. die Jugendweihe,
  3. die Hochzeit,
  4. die Trauerfeier.

 

Wie bei fast allen religiösen Gemeinschaften finden auch bei den Freireligiösen an diesen bedeutsamen Ereignissen der Entwicklung des Menschen Feiern statt, die Augenblicke der Besinnung sein sollen.

1.         Lebensweihe/Taufe

Diese Feier ist mit einer Namensgebung und dem Appell an die Eltern zu einer verantwortungsvollen Erziehung verbunden. Im Gegensatz zur christlichen Taufe hat sie keinen sakramentalen Charakter – vielmehr befasst sich diese erste Feier, die einem Menschen bereitet wird, mit dem wunderbaren Geschehen der Menschwerdung und den damit verbundenen Wünschen und Erwartungen, aber auch mit den Aufgaben und Pflichten der Eltern. Das Versprechen der Eltern,                            .
– dem Kind die Möglichkeit zu geben, seine angeborenen Anlagen zu entfalten,.
– es voller Liebe und in Wahrung seiner Rechte zu  erziehen,
bildet zusammen mit der Taufhandlung (Wasser als Zeichen für alles Lebendige und Symbol für das Eingebundensein in den Kreislauf der Natur) den Höhepunkt der Feier, die in der Regel im Gemeindezentrum im Anschluss an eine Feierstunde durchgeführt wird.

2.         Jugendweihe

Diese Feier erfolgt im Alter der Religionsmündigkeit (14 Jahre) und ist einer der feierlichen Höhepunkte im Leben der freireligiösen Gemeinde. In der Vorbereitung auf die Jugendweihe werden die Jugendlichen mit dem Gedankengut Freier Religion bekannt gemacht und erfahren Unterweisungen, die sie unter Achtung ihrer persönlichen Eigenart zu eigenem religiösen Empfinden und Denken hinführen sollen.

Die freireligiöse Jugendweihe markiert den Eintritt in den Lebensabschnitt der Jugend und wird damit ein Wendepunkt auf dem Weg des eigenen Suchens um eine selbstverantwortliche Lebensgestaltung.

Der Begriff „Jugendweihe“ wurde in der freireligiösen Bewegung erstmals 1868* gebraucht und wird in der Freireligiösen Gemeinde Mainz traditionell am Sonntag im Frühling gefeiert. Die Werte Freier Religion und das Thema Selbstverantwortung sind zentrale Punkte der Festansprache. Höhepunkt und Abschluss der Veranstaltung ist die feierliche Begrüßung der Jugendlichen als selbständige Mitglieder der Gemeinde, die durch den Handschlag des/der Vorsitzenden und des/der freireligiösen Pfarrer/in bekräftigt wird.                           

* Die Freidenkerbewegung übernahm den Brauch der Jugendweihe von den Freireligiösen, und auf diesem Wege fand die Jugendweihe als staatlich verordnete Jugendfeier Eingang in die „DDR“.  Die „DDR“ bestand von 1949 bis 1990. 

3.         Hochzeit

Als dritte Feier nach Lebensweihe/Taufe und Jugendweihe wird das Schließen einer Ehe als besonderes Ereignis im menschlichen Lebensgang gefeiert. Sie hat, wie auch die Lebensweihe, nur eine symbolische und keine sakramentale Bedeutung. Auch ist die nicht verbindlich: es liegt allein im Ermessen der Brautleute, ob sie eine solche Feier ausrichten lassen wollen. Voraussetzung für eine freireligiöse Hochzeitsfeier ist die standesamtliche Trauung. Das Eheversprechen soll in der freireligiösen Hochzeitsfeier in diesem Sinne bekräftigt werden:

– Zwei eigenständige und gleichwertige Persönlichkeiten wollen versuchen, in Harmonie und Liebe ein gemeinsames Leben in gemeinsam getragener Verantwortung zu führen.

– Dieses Versprechen geben sich die Eheleute ausschließlich vor ihrem Gewissen.

Als Sinnbild ihrer neu entstandenen Gemeinsamkeit zündet das Paar gemeinsam die mittlere Kerze in einem dreiarmigen Leuchter an. Anschließend überreicht der/die Pfarrer/in drei Rosen als Symbole der Hoffnung, der Gemeinsamkeit und des Glücks.

Der Durchführung von gemischtreligiösen Hochzeitsfeiern steht aus freireligiöser Sicht nichts im Wege.       .

4.         Trauerfeier

Die Trauerfeier als unwiderruflich letzten Abschied von einem Menschen gehört zu den wichtigsten und schwersten Amtshandlungen. Ihre formale Gestaltung und ihre Strukturen orientieren sich im Wesentlichen an den gleichen Elementen, die auch kennzeichnend für die anderen bisher dargestellten freireligiösen Feiern sind: Ansprache und – in der Regel – klassische Musik sind die tragenden Säulen dieser Feiern.

Inhaltlich geht es in der Trauerrede nicht darum, den Hinterbliebenen abstrakte Trostworte zu sagen, sondern Eigenart und Lebensweg des Verstorbenen nochmals lebendig werden zu lassen. Durch die individuelle Gestaltungsmöglichkeit gewinnt die freireligiöse Trauerfeier einen sehr persönlichen Zug.

Freireligiöse Überzeugung sieht den Menschen als unlösbaren Teil eines größeren Ganzen. Der Mensch als Teil der Natur ist eingebunden in den Kreislauf des Werdens und Vergehens. Somit geht es in der Traueransprache auch um das Ernstnehmen des Lebens, um das Wissen um die Begrenztheit der eigenen Existenz, die dem Leben seine besondere Bedeutung als etwas Einmaliges und Unwiderrufliches gibt. Allein diesseitsorientiert, vertröstet Freie Religion nicht auf zukünftige Paradiese oder Höllen, sondern verweist auf unsere Verantwortung in diesem einmaligen Leben.

 


Feste im Jahreskreis

Freireligiöse Feste im Jahreskreis sind dem Ablauf des Kalenderjahres zugeordnet. Im Wechsel zwischen Dunkelheit und Licht, zwischen Kälte und Wärme, zwischen Vergehen und neuem Werden rundet sich der Kreis des Jahres.

Insbesondere sind es:

1.   Weihnachten/Wintersonnenwende,

2.   Sommersonnenwende (Mittsommernacht),

3.   Totengedenken,

die den Freireligiösen als besondere Feierstunden gelten.

1.         Weihnachten/Wintersonnenwende

Weihnachten, diesem nicht nur für Christen, sondern – wenngleich aus anderen Gründen – auch für die Freireligiösen wichtige Fest im Jahreskreis, ist ihnen zunächst das Fest der Wintersonnenwende. Die „wihen nachten“, die geweihten Nächte um den 21. Dezember herum, erschienen unsere Vorfahren „geweiht“, weil in dieser dunkelsten Zeit des Jahres der lebensspendende, lebenssichernde Umschlag erfolgte:  die Wintersonnenwende, mit der der Sieg des Lichtes über die Finsternis und der Sieg der Wärme über die Kälte sich immer wieder neu anbahnt.

Doch würde man dem Sinngehalt des freireligiösen Weihnachtsfestes nicht gerecht, wollte man ihn auf jenes, die Menschen in den vergangenen Jahrhunderten so bewegende jährlich wiederkehrende Naturereignis einschränken. Weihnachten vereint Ideen, Brauchtümer und Ideale verschiedener Religionen, Kulturen und Zeiten. Deshalb entzieht sich auch das freireligiöse Weihnachtsfest einer eindeutigen Sinnzuschreibung; vielmehr ist es Ausdruck des ewigen Sehnens der Menschen nach Harmonie, nach Frieden, nach der verloren gegangenen Einheit mit der Natur. Es ist das Fest der Zuwendung, das Fest der Stille und der inneren Einkehr, das Fest des Lichts und der Hoffnung auf den Neubeginn – Symbol allen Neuwerdens. Der Lichterbaum – grün mitten im Winter – ist den Freireligiösen ein traditionelles Sinnbild des Lebens, des stets sich erneuernden Lichts.

2.         Sommersonnenwende

Die Sommersonnenwendfeier ist neben der Wintersonnenwendfeier das zweite Fest, durch das die Freireligiösen im Feierkalender mit dem Lauf des Jahres verbunden sind und sich darauf besinnen, welche Bedeutung Natur für die freireligiöse Anschauung besitzt.

Die Sonnenwendfeier, traditionell am Samstag um den 21. Juni begangen, bietet Anlass zur Besinnung darauf, dass wir Menschen trotz eines gewissen Maßes an Autonomie der Natur gegenüber doch letzten Endes zu ihr gehören und uns auch nicht von ihr lösen können. Die Feier der Sonnenwende ist somit Erinnerung an das Eingebundensein in die Natur und ein Sich-Besinnen auf das Einssein alles Seienden.

Der Feier liegt kein starr ritueller Programmablauf zugrunde, vielmehr wird – nach Möglichkeit – im Freien gefeiert, und geselliges Beisammensein am Feuer und Besinnung in lockerer Weise miteinander verbunden.

3.         Totengedenken

Jeweils im November findet eine Feierstunde statt, die eine Stunde des Nachdenkens über Tod und Leben ist. Der Tod erscheint als Teil des Lebens, er ist Vollendung des Lebens und zugleich Auflösung des Ichs in ein größeres Ganzes. Der Tod ist zwar Grenzstein des Lebens, aber nicht der Liebe. Was wesenhaft echt war, was ein Mensch wirkte und bewirkte in seinem Leben, das lebt und wirkt weiter in den Menschen, die ihm nahe standen und nach seinem Tod nahestehen werden.

Totengedenken soll den Blick für die Natürlichkeit und Unvermeidbarkeit von Sterben und Tod schärfen. Nachdenken über den Tod kann helfen, das Leben menschlicher zu gestalten, sorgsamer damit umzugehen. Denn erst am Tod des anderen spüren wir häufig die Notwendigkeit, beim unbekümmerten Dahinleben innezuhalten und die Richtung zu überdenken.

Der Ablauf der Totenfeier gestaltet sich so, dass nach der Ansprache in einem stillen Besinnen der Verstorbenen gedacht wird.

Freireligiöse Gemeinde: Flugschrift „Feste und Feiern der Freireligiösen Gemeinde Mainz“, [Elke Gensler], 1992



 

 

 

Freireligiöses Symbol

Das Sonnenkreuz



Das Sonnenkreuz (auch Radkreuz oder Sonnenrad) ist ein uraltes Symbol von Ganzheit.

Die Vierheit (Quaternität) gilt als ebenso altes menschliches Einteilungsprinzip für Ganzheit. In der Psychologie gilt es als ein archetypisches, das heißt im Menschen ursprünglich angelegtes Zeichen.

Das sich fortwährend drehende Rad symbolisiert Zeit und Vergänglichkeit. Auch wenn mittlerweile nicht mehr im Einklang mit den Erkenntnissen heutiger Physik  stehend, so wurde die Zeit als immerwährend, unendlich fortlaufend gedacht.

Das Rad dreht sich ohne erkennbaren Anfang und Ende fortwährend wie die Zeit.

Die Unterteilung des Rades in vier Segmente weist auf die Entwicklungsphasen alles Existierenden (Entstehen, Werden, Reifen, Vergehen) hin, wobei eine Raddrehung jeweils den zeitlichen Ablauf (Lebenslauf) jeder Seinsform darstellt.

Der Berührungspunkt der tiefsten nach unten weisenden Speiche im Radkreis steht gleichsam für Geburt und Tod. Die Zwischenräume der Speichen des Sonnenrades stellen somit auch die vier Phasen menschlichen Lebens dar, nämlich Kindheit, Jugend, Erwachsensein und Alter.

Das Sonnenrad steht, um die so gewählte Bezeichnung auch zu erklären, für den Jahreslauf der Sonne mit den vier Wendepunkten (4 Jahreszeiten). Religionswissenschaftlich gesehen waren die Erkenntnisse aus der Beobachtung von Sternenhimmel und Jahreslauf wichtige Elemente für die Bildung religiöser Auffassungen.

Das Zeichen, welches das Vertrauen des vorwissenschaftlichen Menschen in die regelhafte Wiederkehr der Jahreszeiten festigte, ist damit ein altes religiöses Symbol.

Es drückt sowohl das religiöse Bedürfnis des Menschen aus, als auch sein Bemühen, ein Verständnis von der Natur zu gewinnen und weist gleichsam auf die menschliche
Eigenschaft hin, die Wirklichkeit geistig nach bestimmten Kriterien ordnen zu wollen.

Der Mittelpunkt im Radkreuz, worum sich die vier Speichen und somit alles Vergängliche dreht, steht symbolisch für das Ewige, Unvergängliche, das als das Nicht-Endliche in allem Endlichen präsent ist.

Als Pluszeichen aufgefasst ist das Kreuz im Kreis darüber hinaus auch eine Darstellung des „Ja“, das Freireligiöse zum Dasein sprechen. *

[*] Rückseite des Faltblattes „Grundgedanken der Freireligiösen   Gemeinde Mainz“


 

 

 

Gedichte und Spruchweisheiten


  

Ich habe nie ohne Religion gelebt,

und könnte keinen Tag ohne sie leben,

aber ich bin mein Leben lang ohne Kirche ausgekommen.

                            Hermann Hesse

 

Gott schläft als Stein,

atmet in der Pflanze,

träumt als Tier

und erwacht als Mensch.

       Nach einer indischen Spruchweisheit

 

 

Größer werden die Menschen nicht;

Doch unter den Menschen

Größer und größer wächst

Die Welt des Gedankens.

Strengeres fordert jeglicher Tag

Von den Lebenden.

Und so sehen es alle,

Die zu sehen verstehen.

Aus dem seligen Glauben des Kreuzes

Bricht ein andrer hervor,

Selbstloser und größer.

Dessen Gebot wird sein:

Edel lebe und schön,

Ohne Hoffnung künftigen Seins

Und ohne Vergeltung,

nur um der Schönheit des Lebens willen.

Theodor Storm

 

 

Es schlägt ein einzig Herz in diesem All,

in deiner eignen Brust ertönt sein Widerhall.

           Marie von Ebner-Eschenbach

  

 

In Beantwortung Ihres Schreibens vom 10. 6. 1947 kann ich Ihnen mitteilen, dass ich selber seit jeher tief religiös veranlagt bin, dass ich aber nicht an einen persönlichen Gott, geschweige denn an einen christlichen Gott glaube.

                            Max Planck

 

 

 

Wohl ist alles in der Natur Wechsel,

aber hinter dem Wechsel ruht ein Ewiges.

            Johann Wolfgang von Goethe

 

 

Welche Religion ich bekenne?

Keine von allen, die du mir nennst!

Und warum keine?

Aus Religion!

Friedrich von Schiller

 

Religiös-sein ist sehr viel mehr als nur Glaube.

    Martin Walser

 

Uns ist es genug zu wissen:
Wir gehören einem unendlich lebevollen Weltall an.
Aus ihm wurden wir, in ihm leben wir,
in ihm bleiben wir.
Der Tod ist nicht Vernichtung, er ist Verwandlung.
Ewig fließt des Lebens unerschöpflicher Quell. 

 Wilhelm Hieronymi
                (
Freireligiöser Prediger [1809 – 1884])


 

Sag an, mein Herz, wo suchst du deinen Gott?

Im Tempel nur, wo sich die Knie biegen?

Am Altar nur, wo Weihrauchwolken fliegen?

Über den Wolken, wo die Sterne glänzen?

Hinter den Sternen, wo des Denkens Grenzen?

O nein, o nein -  mein „Gott“ ist überall:

Wo der Strom blaut, wo der Himmel taut,

Wo die Wolken sich jagen, wo die Nachtigallen schlagen,

Wo die Erde schweigend in Schnee sich hüllt,

Wo der Lenz aus Millionen Knospen quillt –

Ist er mir nah!

Im freien Geist ist er am herrlichsten da,

Wo die Liebe blüht, wo Gedanken wundervoll entstehen,

Wo die Seelen miteinander gehen,

Wo Begeisterung flammt und Wahrheitsmut,

Wo die Herzen ringen ums höchste Gut:

Da ist das Ewige nah, da ist „Gott“ selber da.

Altes freireligiöses Gedicht


 

 

Hinweis

Weiterführende, vertiefende Veröffentlichungen:

2000

Elke Gensler

Freie Religion für Einsteiger

 

2002

Thomas Lasi

ABC der Freien Religion

2003

Thomas Lasi und

Helmut Manteuffel

 

Freie Religion –

eine Alternative

2011

Elke Gensler

Ewig rollt das Rad des Seins – Trostworte

 

2006

Lothar Geis (Hrsg.)

Freireligiöses Quellenbuch Band 1

 

2010

Lothar Geis (Hrsg.)

Freireligiöses Quellenbuch Band 2

 

Die Bücher von Elke Gensler und Lothar Geis sind erhältlich über die

Freireligiöse Gemeinde Mainz,

Gartenfeldstraße 1,  55118 Mainz

und

die Schriften von Thomas Lasi und Helmut Manteuffel sind zu beziehen über die

Freireligiöse Verlagsbuchhandlung,
T 6, 26,  68161 Mannheim